Antithese zum Anti-Guru

Wie könnte dieser Blog das neue Jahr schöner beginnen als mit zwei Artikeln mit zwei völlig gegensätzlichen Standpunkten zum selben Thema?

Nach Brian Koppelmans leidenschaftlicher Zurückweisung sämtlicher Drehbuchlehren ist Linda Segers Nachruf auf Ur-Drehbuchguru Syd Field eine wunderbare Verteidigung eben dieser Theorien.

Linda Seger gehört mit Robert McKee, Christopher Vogler und John Truby gewissermaßen zum inneren Kreis des von Koppelman so geschmähten “screenwriting instruction industrial complex”. In ihrem Nachruf beschreibt sie sehr anschaulich, wie er entstanden ist – und welche Konsequenzen die Verbreitung all dieser Drehbuchtheorien hatte.

Denn so sehr man sich reflexartig gegen die Tendenz zum Formelhaften wehren kann und muss, die vereinheitlichende dramaturgische Theorien zwangsläufig mit sich bringen, darf man nicht vergessen, dass diese Theorien die Grundlage dafür geschaffen haben, dass wir uns auf mehr als nur geschmäcklerischem Niveau  über das Schreiben von Drehbüchern auseinandersetzen können.

Das größte Verdienst der “Drehbuchgurus” ist es sicherlich, dass sie eine Sprache geschaffen haben, die es erlaubt, Elemente eines Drehbuchs zu benennen. Wenn man sich am Ende über bestimmte Regeln einer Theorie hinwegsetzt, weiß man so wenigstens, dass man es tut und fischt nicht mehr ganz im Trüben.

Die heftige Ablehnung von Drehbuchtheorien und ihren Gurus durch Autoren wie Koppelman erklärt sich sicherlich auch aus dem Absolutheitsanspruch, mit dem Dramaturgie-Lehrer wie Syd Field oder Robert McKee ihre Theorien oft vertreten – und aus der Tendenz aus diesen Theorien simpelste “Malen-nach-Zahlen”-Anleitungen à la “Save the Cat” zu stricken. Ganz so einfach ist es eben doch nicht, ein gutes Drehbuch zu schreiben. 

Anstatt als starres Regelwerk sollte man Drehbuchtheorien als das sehen, was sie sind: Werkzeuge, denen man sich als Autor bedienen kann, um seine Geschichte aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten. Der wichtigste Leitfaden für jeden Autor ist am Ende immer die Geschichte selbst.

Syd Field: A Historical Perspective - Script Magazine