Oscar Drehbücher 2014

Wie jedes Jahr stellen die Studios auch dieses Jahr in den Monaten vor den Oscars wieder ganz legal Drehbücher zum kostenlosen Download bereit.

Scott Myers von Go Into The Story hat dankenswerterweise eine erste Liste mit 32 Drehbüchern zusammengestellt. Unter anderem kann man ab sofort die Drehbücher zu “Rush”, “Gravity”, “Spring Breakers”, “All is Lost” und “Monsters University” herunterladen.

Auch Production Notes der Studios zu vielen Filmen sind auf Myers’ Liste zu finden. Also schnell runterladen, bevor sie weg sind.

Die 15 interessantesten Drehbücher habe ich hier für Euch zusammengestellt. Einfach auf die Bilder klicken.

Happy Downloading!

Rush

»Rush«
von Peter Morgan

Prisoners

»Prisoners«
von Aaron Guzikowski

Kill Your Darlings

»Kill Your Darlings«
von J. Krokidas, A. Bunn

Monsters-University

»Monster’s University«
von Gerson & Baird, Scanlon

Gravity

»Gravity«
von Alfonso & Jonás Cuarón

The Butler

»The Butler«
von Danny Strong

Before Midnight

»Before Midnight«
von Linklater, Hawke, Delpy

All Is Lost

»All Is Lost«
von JC CHANDOR

»Despicable Me 2« Autor: Cinco Paul & Ken Daurio

»Despicable Me 2«
von: Cinco Paul & Ken Daurio

12 Years a Slave

»12 Years a Slave«
von John Ridley

The Bling Ring

»The Bling Ring«
von Sofia Coppola

»Enough Said« von Nicole Holofcener

»Enough Said«
von Nicole Holofcener

»The Fifth Estate« von Josh Singer

»The Fifth Estate«
von Josh Singer

»The Great Gatsby« von Baz Luhrmann & Craig Pearce

»The Great Gatsby«
von B. Luhrmann & C. Pearce

»Spring Breakers« von Harmony Korine

»Spring Breakers«
von Harmony Korine

Braucht jede Geschichte eine Charakterentwicklung?

Lucy Hay stellt auf ihrem Blog Bang2Write eine hervorragende Frage: Muss die Hauptfigur in einer Geschichte zwingend eine Charakterentwicklung durchmachen? Muss sie etwas wichtiges lernen, an der Geschichte “wachsen”, um am Ende jemand anderes, “besseres” zu sein, als am Anfang?

Wer einmal einen Drehbuchschreibkurs oder ein Dramaturgie-Buch gelesen hat, wird diese Fragen reflexartig mit “Ja” beantworten.

Lucy Hay nennt in ihrem lesenswerten Beitrag jedoch einige prominente Filmbeispiele, die völlig ohne Figurenentwicklung auskommen: Ripley in “Alien”, McClane in “Die Hard” oder Forrest Gump. In der Tat dürfte die statische Hauptfigur in den meisten Action- und Superheldenfilmen eher die Regel als die Ausnahme sein. Auch in Komödien kommen immer wieder statische Hauptfiguren vor, etwa Harry and Lloyd in “Dumb and Dumber” oder Jeff Lebowski in “The Big Lebowski”. Auch in “Fargo” lernt keine der Hauptfiguren erkennbar etwas hinzu.

Die charakterliche Entwicklung der Hauptfigur ist sicherlich für viele Geschichten von zentraler Bedeutung. Aber wie die Beispiele zeigen eben nicht immer.

Trotzdem wird das Mantra “Eine Hauptfigur muss an der Geschichte wachsen” jedem angehenden Autor – und schlimmer noch Nicht-Autor – ständig und überall eingetrichtert. Warum auch nicht? Charakterentwicklung schadet schließlich nie. Oder?

Meine Antwort darauf wäre: meistens nicht. Aber manchmal macht sie die Geschichte auch nicht besser. Ein gutes Beispiel dafür ist Alfonso Cuaróns “Gravity”: hätte der Film nicht auch ohne die bemühte Überwindung des Muttertraumas von Sandra Bullocks Figur Stone hervorragend funktioniert? Hätte er nicht vielleicht sogar besser funktioniert, weil durch eine weniger psychologisch angeschlagene Figur die Glaubwürdigkeit der Geschichte nicht so stark strapaziert worden wäre? (Warum um alles in der Welt wird eine Frau, die psychisch derart labil ist, auf eine Weltraummission geschickt?!?)

Vor allem aber kann ein zu starker Fokus auf Figurenentwicklung bei der Entwicklung einer Geschichte, die stark über die äußere Handlung funktioniert auch hinderlich sein. Wir alle kennen diese Figuren, die mit komplexen persönlichen Konflikten in eine Geschichte gehen und diese damit einfach nur überfrachten. Weniger ist manchmal mehr.

Wenn man eine gut funktionierende, spannende oder lustige Geschichte hat und bei der Entwicklung feststellt, dass die Hauptfigur keine wirkliche Entwicklung durchmacht, sollte man nicht gleich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Vielleicht braucht diese Geschichte dann einfach keine Charakterentwicklung.

Wie Lucy Hay völlig richtig feststellt, ist eine charakterliche Entwicklung der Hauptfigur nicht das erzählerische Allheilmittel, als dass es von den meisten Schreibratgebern dargestellt wird. Sie wird in der Tat seit einigen Jahren deutlich überstrapaziert. Wenn ein starker, konfliktreicher Plot vorhanden ist, ist es manchmal besser, den Helden zwischen all der Action nicht auch noch sein Kindheitstrauma aufarbeiten zu lassen.

Gilgamesch und »The Hero’s Journey«

Der von Joseph Campbell begründete Begriff der Heldenreise ist jedem Drehbuchautor geläufig, seit Christopher Vogler damit in Hollywood offene Türen eingerannt und so prominente Fans wie George Lucas gewonnen hat.

Die Grundidee ist faszinierend: Campbell kam durch seine ethnologischen Forschungen zu dem Schluss, dass mythische Geschichten aus den verschiedensten Kulturkreisen ein archetypisches Grundmuster aufweisen, das er als “Hero’s Journey” bezeichnete oder auch, nach James Joyce, Monomythos.

Die Idee, dass alle großen Geschichten ein und derselben Struktur folgen, klingt für Autoren verständlicherweise äußerst verlockend, legt sie doch nahe, dass diese archetypische Struktur gewissermaßen ein ehernes Naturgesetz ist, dem man nur folgen muss, um in den Olymp der großen Erzähler einzugehen. Folgerichtig nannte Vogler sein Buch denn auch “The Writer’s Journey”.

Die Idee des Monomythos klingt beinahe zu schön und wahr zu sein – und vielleicht ist sie das auch. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Sean Hood auf seinem Blog Genre Hacks. Er hat sich die Mühe gemacht, den wohl sagenumwobensten, sicher aber ältesten Mythos der Menschheitsgeschichte selbst zu lesen: das Gilgamesch-Epos. Aber leider schien der so gar nicht in das schöne Muster von Campbell/Vogler zu passen.

Gilgamesh

Vielleicht wäre es an der Zeit, die Arbeit von Campbell einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich als eherne Wahrheiten verbreitete Forschungsergebnisse bei genauerem Hinsehen als Mythos erweisen – auch und gerade in den Kulturwissenschaften.

Auch die schöne Geschichte von der Herkunft der Grimm’schen Märchen ist inzwischen als Märchen entlarvt worden – die beiden Brüder sind keineswegs durch die deutschen Lande gezogen, um sich noch im hintersten Tal von betagten Großmüttern an Spinnrädern deren Gutenachtgeschichten erzählen zu lassen. Vielmehr haben sie sich von sechs halbwüchsigen Töchter aus gebildeten Kasseler Bürgerfamilien Geschichten aus einer französischen Märchensammlung erzählen lassen, die wir heute als “Deutsche Volksmärchen” kennen.

Peter Morgan über »Rush« oder: Die Gretchenfrage der Dramaturgie

Drehbuchautor Peter Morgan erzählt in einem Interview mit Bob Verini auf ScriptMag von seinem Erzählansatz für Ron Howards neuen Film “Rush”.

Morgan hat für sein Drehbuch das Konzept der Drei-Akt-Struktur über Bord geworfen und seine Geschichte über die Rivalität zwischen den Formel-1-Legenden Niki Lauda und James Hunt stattdessen selbst wie ein Rennen strukturiert.

Das Beispiel zeigt, dass es jenseits der klassischen Akteinteilung auch ganz andere Prinzipien geben kann, nach denen eine Geschichte strukturiert werden kann. Und die können, wie in diesem Fall, für die Ausarbeitung der Geschichte manchmal wesentlich hilfreicher sein als abstrakte Akteinteilungen.

Vermutlich wird man für den Film, wenn man es darauf anlegt, trotzdem eine Drei-Akt-Struktur definieren können – aber kann man das im Nachhinein nicht immer irgendwie?  Und wenn dem so ist: für was ist Struktur dann eigentlich gut? Dafür, dass eine Geschichte am Schluss eine bestimmte Form aufweist? Oder eher als organisierendes Prinzip, das dem Autor dabei hilft, seine Geschichte zu fokussieren?

Brauchen wir Dramaturgie also, weil Geschichten einem nebulösen Naturgesetz folgend eine bestimmte Form aufweisen müssen? Oder ist Dramaturgie vielmehr dazu da, dem Autor dabei zu helfen, eine möglichst gute Geschichte zu schreiben – der retrospektiv eine Struktur von Anfang-Mitte-Ende zuzuweisen nichts weiter als ein banaler Akt ist?

rush

Piraterie wächst weiter

Die Berichte, dass Online-Piraterie dank wachsender legaler Angebote langsam abnimmt, scheinen verfrüht gewesen zu sein. Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass  Piraterie weiterhin stark wächst. Allerdings wurde sie von NBC in Auftrag gegeben, das natürlich ein gewisses Eigeninteresse an dramatischen Zahlen hat.

Interessant ist, dass nach der Schließung von MegaUpload Anfang 2012 und dem anschließenden Verschwinden vieler ähnlicher Angebote der Traffic sowohl auf BitTorrent-Seiten als auch bei illegalen Streaming-Angeboten sprunghaft angestiegen ist. Das zeigt einerseits, dass Maßnahmen gegen Piraterie-Seiten durchaus etwas bewirken können. Andererseits weichen die User offenbar schnell auf alternative Angebote aus, wodurch diese Erfolge sofort wieder zunichte gemacht werden.

Drei Akte in sechs Modellen

Drehbuchguru Blake Snyder hat für seine Drehbuchtheorie “Save The Cat” in den letzten Wochen viel Prügel einstecken müssen. Das nimmt der Bitter Script Reader zum Anlass, auf einen Beitrag von J.J. Patrow hinzuweisen, der in einer schönen Fleißarbeit die Modelle verschiedener Drehbuchtheorien verglichen und in einem Diagramm zusammengefaßt hat.

Yanno ALL CHARTS

Natürlich ist es richtig, dass “Save The Cat” nichts grundsätzlich Neues bietet. Die Kritik richtete sich allerdings weniger an Snyders Drehbuchtheorie selbst als vielmehr dessen uninspirierte Anwendung durch Heerscharen von Development Executives in den Studios und Produktionsfirmen Hollywoods.

Vor allem Snyders “Save The Cat” Beat-Sheet wurde da zum Stein des Anstoßes.Völlig zu Recht, wie ich finde, denn die seitengenaue Auflistung von Plot Points fördert meistens nicht gerade die Kreativität sondern führt in der Praxis schnell dazu, einfach das vorgegebene Schema zu erfüllen, anstatt sich auf die mühsame aber am Ende lohnendere Suche nach dem individuellen Potential der Geschichte zu begeben.

Die verhängnisvolle Eigendynamik der Blockbuster-Spirale

Der Drehbuchautor Damon Lindelof hat eine eigene Erklärung dafür, warum Hollywood-Blockbuster in den letzten Jahren immer ähnlicher geworden sind: Story Gravity.

Für Lindelof gibt es für die beklagenswerte Entwicklung keinen klaren Schuldigen – weder die Studios noch das Publikum noch Autoren oder Regisseure. Vielmehr erklärt er, dass dem Blockbuster ein inhärenter Drang innewohnt, immer größer und spektakulärer zu werden – immer noch einen draufzusetzen war letztlich das Prinzip, nach dem die Mega-Filme, die für Hollywood so lange eine sichere Nummer waren, funktionierten. Scott Brown formuliert es in seinem Artikel fürs New York Magazine so:

No one necessarily asks for it; it just kind of happens. It’s what Lindelof calls Story Gravity, and dealing with it—whether that means resisting it or simply surfing it skillfully—is the great challenge of writing this new breed of tentpole blockbuster. The question used to be: How do we top ourselves? The new one seems to be: How do we stop ourselves?

Es scheint hier also eine Entwicklung zum Ende zu kommen, die Steven Spielberg und George Lucas einst mit der Erfindung des Blockbusters angestoßen haben. Die einfache aber äußerst erfolgreiche Idee dahinter war, einen Film wie eine Attraktion eines Vergnügungsparks aufzubauen und den Zuschauer durch eine Achterbahn visuell spektakulärer Set-Pieces zu schicken.

Das Problem dabei ist, dass sich diese Special-Effects-Spektakel schnell verbrauchen: wenn einmal ein Hochhaus in die Luft geflogen ist, muss beim nächsten Blockbuster schon eine ganze Stadt dran glauben, wenn man dem Publikum noch etwas neues bieten will.

Richtig inflationär wurde diese Entwicklung durch die Digitalisierung der Postproduktion, durch die die natürliche Grenze dessen, was man alles in die Luft jagen konnte, praktisch aufgehoben wurde.

Inzwischen gehört die lustvolle Zerstörung des Planeten Erde zum Standard-Repertoire des Sommer-Blockbusters. Auch wenn technisch mehr möglich wäre – mit der routinemäßigen Zerstörung allen Lebens auf unserem Planeten stoßen die Geschichten an die Grenze dessen, was erzählenswert ist. Wie soll man das noch toppen? Soll man nach der Erde noch das Sonnensystem zerstören? Was macht das für einen Unterschied?

Hier rächt sich, dass diese Art von Action-Spektakeln zu immer einförmigeren Geschichten geführt haben, die kaum mehr Variationen zulassen: eben jene Story Gravity, von der Lindelof spricht und die unweigerlich dazu führt, dass es immer nur noch um die Rettung der Welt geht.

So schwer es auch fallen wird – der Blockbuster wird sich inhaltlich neu erfinden müssen, wenn er eine Zukunft haben will. “World War Z” und “Startrek Into Darkness” haben erste Schritte in diese Richtung getan. Weitere werden folgen. Denn das schöne Geschäft mit den großen Filmen werden sich die Studios mit Sicherheit nicht entgehen lassen wollen.

Der lange Weg von “Cheers” zu “Breaking Bad”

In einem Artikel in The Morning News beschreibt Martin Connelly die Entwicklung der modernen Fernsehserie, angefangen mit Serien wie “Cheers” und “Friends”, die erstmalig Entwicklungsbögen über eine ganze Staffel hinweg einführten bis hin zur heute üblichen Form der zehn- bis zwölfteiligen Kurzstaffel, der Conelly romanhafte Qualitäten bescheinigt.

Zu Wort kommen neben “Cheers”-Autor und Produzent Phoef Sutton auch die Autorin Amanda Lotz, die in ihrem Buch mit dem programmatischen Titel The Television Will Be Revolutionized” die These aufstellt, dass das Fernsehen Mitte des letzten Jahrzehnts in eine “Post-Network”-Ära eingetaucht ist, in der die Mainstream-Sender zunehmend an Relevanz verlieren.

Zwar kommt Conelly in dem etwas ausufernden Artikel nicht zu bahnbrechenden neuen Erkenntnissen, gibt aber einen guten Abriss über die historische Entwicklung. Alles in allem daher durchaus lesenswert.

Die Formel der Formeln

Man nehme eine Portion McKee, gebe ein wenig Syd Field hinzu und garniere das ganze mit ein paar Begriffen aus Christopher Voglers Heldenreise – fertig ist die Superformel fürs Drehbuchschreiben!

SAVE THE CAT! heißt die Drehbuchanleitung von Blake Snyder, in der er mittels eines Beat-Sheets seitengenau auflistet, was wann zu passieren hat. Wer da an Malen nach Zahlen denkt, liegt nicht ganz falsch. Wen’s interessiert: hier kann man sich das Beat-Sheet ansehen.

Auch wenn Snyder möglicherweise ursprünglich eine nicht ganz so simplistische Vorstellung vom Drehbuchschreiben hatte – sein Beat-Sheet hat Hollywood in den letzten Jahren im Sturm erobert, wie Peter Suderman auf Slate.com beschreibt. Die Folge: fast jeder große Studio-Film wird inzwischen nach ein und derselben Formel gestrickt.

Wen also im Kino immer häufiger das Gefühl beschleicht, das alles irgendwie schon einmal gesehen zu haben, der hat vermutlich einfach nur Recht: man hat das alles schon dutzendmal gesehen – nur mit anderen Schauspielern, anderen Szenenbildern und anderen Special Effects.

»Alternative Scriptwriting«: neue Auflage

Drehbuchschreiben jenseits von Plot Points und Drei-Akt-Struktur – geht das überhaupt, fragen sich nicht nur angehende sondern auch etablierte Drehbuchautoren immer wieder.

Alternative Scriptwriting

Natürlich geht es. Wie, beschreibt Ken Dancyger in seinem Klassiker “Alternative Scriptwriting”, das es nun in einer neuen, überarbeiteten Auflage gibt. Auf Raindance.org hat Harry Jackman eine kleine Besprechung der neuen Fassung veröffentlicht.

Ein weiteres, lesenswertes Buch über unkonventionelle Erzählansätze ist übrigens “Freistil – Dramaturgie für Fortgeschrittene und Experimentierfreudige” der leider viel zu früh verstorbenen deutschen Dramaturgin Dagmar Benke.

 

Im goldenen Zeitalter der Antihelden

Für den Atlantic hat Hope Reese ein äußerst lesenswertes Interview mit dem Autor Brett Martin geführt. In seinem bereits erwähnten Buch “Difficult Men” beschreibt Martin, wie die Einführung von komplexen Antihelden als Hauptfiguren in Serien wie “The Sopranos”, “The Wire”, “Mad Men” oder “Breaking Bad” das “Dritte Goldene Zeitalter des Fernsehens”, wie er es nennt, eingeläutet hat.

antiheroes

Für Martin sind diese Serien die prägende Kunstform des neuen Jahrtausends – eine Art kulturelles Leitmedium, vergleichbar mit den Kinofilmen von Scorsese, Altman und Coppola in den 70er Jahren und den Romanen der Beat-Generation der 60er Jahre.

Als Grund für die Attraktivität von ambivalenten männlichen Antihelden sieht Martin die männliche Identitätskrise der späten 90er und frühen Nullerjahre – ein Trend, der sich seiner Meinung nach mit Serien wie “Girls” oder “The Newsroom” möglicherweise bereits wieder überlebt hat.

Einige Wochen zuvor hat sich Akash Nikolas übrigens bereits auf die Suche nach weiblichen Antiheldinnen begeben, ebenfalls im Atlantic.

Update: Dorothy Snarker hat zu diesem Thema auf IndieWire nachgelegt: “In Praise of the Difficult Women”.

Wo Logik überbewertet ist

Es gibt Filmgenres, die ein so starres Regelkorsett haben, dass Ablauf und Auflösung der Geschichte leicht vorhersehbar werden. Dazu gehört neben der Romantic Comedy, dem Thriller und dem Horrorfilm sicherlich auch der Heist-Movie.

Um diese Vorhersehbarkeit zu konterkarieren setzen Filmemacher manchmal ein Stilmittel ein, das Filmen wie “The Usual Suspects” und “The Sixth Sense” zu ungeahnten Erfolgen verholfen hat: der überraschende Twist am Ende der Geschichte, der mit einem Mal alles zuvor Gesehene in neuem Licht erscheinen lässt.

Dass man damit auch zu weit gehen kann, beschreibt Alexander Gajic sehr schön auf seinem Blog Real Virtuality in einem äußerst unterhaltsamen Beitrag über “Die Unfassbaren”: durch immer neue Twists wird die Logik der Geschichte hier derart überstrapaziert, dass das Ergebnis am Ende nur noch hanebüchen erscheint.

Spätestens, wenn der Zuschauer sich an der Nase herumgeführt fühlt, hat der Erzähler den Bogen überspannt. Der Zuschauer “glaubt” die Geschichte nicht mehr, seine “suspension of disbelief” bricht zusammen, er fühlt sich nicht mehr gut unterhalten sondern nur noch veräppelt.

Interessanterweise strotzen viele Blockbuster aber ebenfalls nicht gerade vor inhaltlicher Stringenz, was ihrer Popularität in der Regel aber keinen Abbruch tut. Auch Gajic schreibt, dass ihm die haarstreubenden Unstimmigkeiten von Jokers Plan in “The Dark Knight” nur ein Schulterzucken wert waren und dass Javier Bardems Figur in “Skyfall” geradezu hellseherische Fähigkeiten besessen haben muss, damit seine unwahrscheinliche Flucht aus dem Gefängnis so wunderbar klappt, hat seinen Filmgenuß ebenfalls nicht wirklich geschmälert.

Warum aber stören sich viele Zuschauer an der mangelnden Plausibilität von Filmen wie “Die Unfassbaren”, während Logikfehler in Filmen wie “The Dark Knight”, “Skyfall” oder “Herr der Ringe” klaglos hingenommen werden?

Dass Plausibilitätsdefizite bei Geschichten, die ihre Spannung letztlich aus der Logik der Handlung schöpfen, fatal sein müssen, liegt auf der Hand – und um solche Filme handelt sich in der Regel bei Heist-Movies.

Steven Spielberg erfand dagegen die Idee von einem Film, die wie ein “theme park ride “ funktioniert, wie eine Vergnügungsparkattraktion also, bei dem das Publikum durch eine dichte Folge action-lastiger Set-Pieces unterhalten wird.

pirates2

Diese Idee, mit der Spielberg gewissermaßen den Grundstein zum modernen Blockbuster gelegt hat, rückt die Handlung des Films in den Hintergrund. Sie ist nur noch das Gerüst auf dem ein immer spektakuläreres Special-Effects-Feuerwerk abgefackelt wird. Die Logik der Geschichte wird da völlig zweitrangig – wenn sie überhaupt eine hat: Oder hat irgendjemand verstanden, um was es im dritten Teil von “Fluch der Karibik” ging? Konnte irgendjemand beim ersten Sehen den verschlungenen Plot-Pfaden von “Inception” folgen? Und was ist eigentlich aus der unglaublich wichtigen Liste britischer Geheimagenten geworden ist, der James Bond in “Skyfall” hinterherjagt?

Logik spielt in diesen Filmen kaum eine Rolle – so lange man durch ihre atemberaubenden Action-Sequenzen gut unterhalten wird. Nach einer Achterbahnfahrt fragt ja auch keiner, was diese ganzen Loopings gerade zu bedeuten hatten. Ein Feuerwerk kann äußerst unterhaltsam sein auch ohne dass es einen Sinn ergibt.

Für den Special-Effects-lastigen Blockbuster ist es überraschend wenig wichtig, dass der Zuschauer der Geschichte überhaupt folgen kann. Er muss nur in groben Zügen verstehen, was da insgesamt vor sich geht – Details sind letztlich einfach nur lästig.

Pacific-Rim-PosterAllerdings sind auch beim großen Blockbuster in letzter Zeit deutliche Ermüdungserscheinungen zu beobachten: Kampfszenen müssen inzwischen mindestens zwischen riesigen Robotern und Superhelden oder riesigen Robotern und riesigen Monstern stattfinden, um noch irgendeinen Teenager hinter dem Ofen herzulocken und die Welt ist auf der Leinwand inzwischen auch schon so oft so schön untergegangen, dass dafür alleine auch keiner mehr ins Kino geht. Irgendwann lässt sich, so scheint es, der visuelle Nervenkitzel nicht mehr steigern.

Aus diesem Grund greifen auch die Macher von Blockbustern inzwischen vermehrt in die Trickkiste der Genre-Filmer: mit Plot-Twists setzen sie nach dem ersten Showdown einen Höhepunkt nach den anderen und werden dabei immer länger und länger. Das Ergebnis sind die aufgedunsenen Blockbuster, die Film Crit Hulk beklagt.

Überleben wird sich der Blockbuster deswegen nicht – genauso wenig wie Jahrmärkte, Feuerwerke und Themenparks irgendwann einmal aussterben werden. Eine Renaissance des Erzählens weg von starren Formeln hin zu innovativeren Erzählformen, so wie sie derzeit bei der Fernsehserie stattfindet, scheint aber auch im Mainstream-Kino immer notwendiger zu werden.

Sci-Fi und Fantasy: ein westliches Kulturphänomen?

Ist Science Fiction und Fantasy ein rein westliches Phänomen? Christine Folch vergleicht in einem Essay im Atlantic die vorherrschenden Film-Genres Hollywoods mit denen Bollywoods und stellt die Frage: Warum sind vor allem die westlich geprägten Gesellschaften offenkundig so von Science Fiction und Fantasy fasziniert?

Folch zitiert den deutschen Soziologen Max Weber mit seiner Theorie, dass wir in einer “entzauberten Welt” leben, in der es für alles eine Erklärung gebe und die sei schlicht und einfach langweilig. Umso stärker sei dann die Sehnsucht nach Magie, Mystik und Unerklärbarem.

Da mag etwas dran sein. Allerdings muss man feststellen, dass auch das europäische Kino herzlich wenig an Fantasy und Science Fiction hervorbringt – was aber eher ein Problem der fehlenden Budgets ist als ein Mangel an Interesse des Publikums, wie die eindrucksvollen Besucherzahlen vor allem der amerikanischen Fantasy-Filme beweisen.

Obwohl Bollywood nach Anzahl produzierter Filme Hollywood als Filmhauptstadt der Welt weit in den Schatten stellt – bei den Budgets ist Tinseltown immer noch König. Es ist schwer vorstellbar, dass die indische Filmindustrie mit den Special-Effects-Schlachten aus Kalifornien mithalten könnte.

Allerdings ist es bemerkenswert, dass die großen Science Fiction und Fantasy Hits aus Amerika in Indien keine nennenswerten Zuschauerzahlen erzielen konnten. Vielleicht ist also wirklich etwas dran, an der westlichen Faszination an fiktiven magischen Welten. Auch wenn das europäische Kino für die die notwendigen Budgets nicht auftreiben kann – eine große Zahl äußerst erfolgreicher europäischer Fantasy-Roman-Autoren beweist, dass die Sehnsucht nach Verzauberung auch in Europa groß ist.

Kaputte Familien

Angelika Unterholzner weist auf ihrem Blog Flixe auf eine Hitliste der dysfunktionalsten Serienfamilien hin, die vor kurzem die Los Angeles Times veröffentlicht hat.

Eine wirklich schöne Sammlung all der schrecklich netten Familien, die wir in amerikanischen Serien so sehr mögen und im deutschen Fernsehen so schmerzlich vermissen. Angelika Unterholzner bringt es in ihrem Beitrag schön auf den Punkt:

“Diese Familien sind vom dem geprägt, was die meisten Serien der jüngeren Vergangenheit so sehenswert macht: von Tabubrüchen, Geheimnissen und Abgründen.”

House of SIM Cards

In einem interessanten Beitrag auf Medium.com beschäftigt sich Mike Casey mit dem Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln in “House of Cards”. In der Tat haben Email, Chat oder SMS bislang kaum Einzug in die Handlung von Filmen oder Serien gefunden.

Der Grund dafür ist natürlich die Schwierigkeit der filmischen Darstellung dieser inzwischen so weit verbreiteten Kommunikationswege. Insofern ist es äußerst interessant, dass “House of Cards” hier neue Wege beschreitet und sich nicht davor scheut, etwa Close-Ups von Textnachrichten einzublenden. Es ist wirklich höchste Zeit, dass sich das fiktionale Erzählen diesbezüglich mehr an der Realität orientiert.