Alles hat ein Ende…

Leider kann ich diesen Blog aus Zeitmangel nicht weiterführen. Es erscheinen keine neuen Beiträge mehr.

Warum wir Geschichten erzählen

In einem interessanten Beitrag auf TED stellt Yuval Noah Harari eine für Geschichtenerzähler charmante These auf: die Menschheit sei als Art vor allem deshalb so erfolgreich, weil sie die Fähigkeit entwickelt habe, Geschichten zu erzählen.

Zusammengefasst lautet das Argument: Was Menschen im Vergleich mit anderen Arten auszeichnet, ist ihre Fähigkeit, in großen Gruppen zusammenzuarbeiten. Um eine große Gruppe von Individuen dazu zu bringen, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, braucht es eine fiktionale Geschichte, an die alle glauben: Religionen, Nationen, Geld oder – Menschenrechte.

Die großen Kulturleistungen der Menschheit gehen für Yuval Noah Harari damit grundsätzlich auf die Fähigkeit des Geschichtenerzählens zurück.

Zugegeben: für diese Fähigkeit braucht es auch noch Kleinigkeiten wie ein hoch entwickeltes Selbst-Bewusstsein und Sprache. Beides reicht aber für sich nicht dafür aus, sich die Welt untertan zu machen. Dafür braucht es vielleicht wirklich den einigenden Glauben an eine fiktionale Geschichte.

Der tote Hund und der Zuschauer

Die Eröffnungsszene von “House of Cards”, in der Kevin Spacey als Frank Underwood einen angefahrenen Hund tötet, ist deshalb so berühmt, weil sie mit einem ehernen Gesetz des Fernsehens bricht, nämlich, dass die Hauptfiguren zuallererst sympathisch zu sein haben.

Die Szene ist auch deshalb so berühmt, weil sie beispielhaft zeigt, wie anders die neuen Fernsehserien im Gegensatz zu denen der Mainstream-Fernsehsender funktionieren.

Bei einem Podiumsgespräch zwischen dem langjährigen Disney-Boss Michael Eisner und “House of Cards” Showrunner Beau Willimon, hat Willimon erzählt, dass die Szene bei der Entwicklung durchaus kontrovers diskutiert wurde: die Serie würde in den ersten 30 Sekunden die Hälfte ihres Publikums einbüßen, wurde Willimon immer wieder gewarnt.

Doch Netflix ließ sich von Willimon und David Fincher überzeugen, die Eröffnungsszene trotzdem zu behalten – und wurde so zum künstlerischen Triumph über die Tyrannei des Harmlosen, die das massentaugliche Fernsehen so sehr beherrscht.

Tatsächlich büßte “House of Cards” einen großen Teil des Publikums durch diese Szene ein, wie Netflix-Chef Reed Hastings, kürzlich offenbarte“A lot of people just—click, turned offWhen we watch the stats, it’s like this,” he said, pointing to the floor.

Allerdings ist die Serie vermutlich ohnehin nichts für Leute, die eine solche Szene nicht aushalten, wie Beau Willimon völlig richtig anmerkt. Ob sie nach 30 Sekunden abschalten oder die zweite Folge nicht mehr ansehen, ist letztlich egal. Für die Zuschauer, die es nach etwas anderem als der ewig gleichen weichgespülten Fernsehunterhaltung dürstet, ist die Eröffnungsszene jedoch ein Signal: hier bekommt ihr was anderes zu sehen.

So erfrischend es also einerseits ist, wenn bei Fernsehserien Konventionen gebrochen werden und anders erzählt wird, so deutlich sind auch die Auswirkungen auf die Zuschauerzahlen. Es ist daher leider auch nicht zu erwarten, dass deutsche Free-TV-Sender, ob öffentlich-rechtlich oder privat, demnächst derartige Serien machen werden.

Aber auch fürs Mainstream-Fernsehen gilt: es lohnt sich, Risiken einzugehen und das Publikum herauszufordern. Es muss ja nicht gleich in der Eröffnungsszene ein Hund erwürgt werden. Aber der Weg des geringsten Widerstands führt letzten Endes doch nur zur größten Langweile. Und daran sollten auf lange Sicht auch Mainstream-Sender kein Interesse haben.

Update: Das vollständige Gespräch zwischen Eisner und Willimon kann man hier ansehen.

Alle Theorien in einem Chart

Jedem, der sich ausführlich mit Drehbuchtheorien auseinandergesetzt hat, dürfte aufgefallen sein, dass jeder dieser Drehbuch-Gurus sein eigenes Vokabular für das mehr oder weniger identische Konzept verwendet: das der klassischen Drei-Akt-Struktur.

Die Autorin Ingrid Sundberg hat sich in einer wunderbaren Fleißarbeit die Mühe gemacht, die unterschiedlichen Begrifflichkeiten der gängigsten Drehbuchtheorien in einem Schaubild zusammenzufassen.

Neben den Drei-Akt-Propheten Syd Field und Robert McKee enthält die Grafik unter anderem die beiden “Monomyth”-Vertreter Joseph Campbell und Christopher Vogler und natürlich darf auch der derzeit so angesagte Blake Snyder (“Save the Cat”) nicht fehlen.

Sehr interessant und äußerst hilfreich, wenn in einer Drehbuchbesprechung mal wieder völlige Begriffsverwirrung herrscht (via Flixe).

Drei-Akt-Modelle

Drehbücher zu Serienpiloten

Breaking BadZurück zum alten Mantra: “Mehr Drehbücher lesen!” Angelika Unterholzner weist auf ihrem immer lesenswerten Blog Flixe auf eine Sammlung der zehn beliebtesten Drehbücher zu Serienpiloten hin.

Mit dabei sind neben den Pilotfolgen zu “Breaking Bad”, “Lost” und “Mad Men” auch die Sitcoms “30 Rock”, “Modern Family” und “New Girl”.

Also nicht lang fackeln: runderladen und lesen!

 

Von der Seifenoper zur Kunstform

Während sich die inhaltliche Diskussion in Deutschland nach wie vor um die Frage dreht, wie man auch in unserer Fernsehlandschaft horizontal erzählte Serien mit nicht uneingeschränkt sympathischen Hauptfiguren erzählen könnte, geht die Entwicklung der Serien in den USA bereits einen Schritt weiter, wie Matt Zoller Seitz in einem äußerst lesenswerten Artikel auf Vulture zeigt.

Die Renaissance der Fernsehserie wurde letztlich durch das Aufbrechen der in sich geschlossenen Episodenstruktur hin zu staffelübergreifender, horizontaler Erzählweise ausgelöst, die es ermöglicht, wesentlich komplexere Geschichten und tiefere Figurenentwicklungen zu erzählen. Erst dadurch konnte das künstlerisch bis dato eher belächelte Erzählformat Fernsehserie eine erzählerische Kraft entfalten, die an die der besten Romane heranreicht.

Allerdings hat sich schnell gezeigt, dass die horizontale Erzählweise im Umkehrschluss auch bedeutet, dass man eine Serie nicht mehr beliebig lang, open-end, fortsetzen kann. Denn wenn es eine horizontale Entwicklung der Figuren gibt, dann muss die auch irgendwann zu einem Ende kommen, wenn es nicht hanebüchen werden soll. Weiterlesen

Der tote Hund

Ein dramaturgischer Beitrag zum Thema Kultserien

Ein Gastbeitrag von Jürgen Seidler

 

Wer sich erinnert: Die Serie „House of Cards“ beginnt damit, dass der Protagonist Francis Underwood einen angefahrenen Hund erwürgt. Dabei spricht er über Schmerzen, die er in zwei Kategorien einteilt, in solche die unnötig sind und in solche, die einen stärker machen.

Dieser tote Hund steht für mich zeichenhaft für eine andere Dramaturgie, die mit dieser und weiteren Serien, einhergeht. Das Tier, als mögliches Objekt der Einfühlung und Identifikation, wird getötet. Wenig später, noch bevor wir die Titel der Serie lesen, spricht der Protagonist zu uns, dem Zuschauer und erklärt die politischen Zusammenhänge, in die uns die Serie entführen wird. Dieses Brechtsche Moment der Ansprache an die Zuschauer und die Verweigerung der emotionalen Einfühlung bestimmen diese jüngste amerikanische Serie, die wir auch in Deutschland breit und feuilletonistisch diskutieren. Dieser schon sehr entwickelten Diskussion möchte ich einige Aspekte als Autor und Dramaturg anfügen, der vor allem in Deutschland sein Brot verdient.

Standen bei den „Sopranos“ und auch noch in „Breaking Bad“ die Familie als moralischer, wertehaltiger Bezug im Mittelpunkt der Erzählung, so ist dieser uramerikanische Wert in „House of Cards“ aufgegeben worden. Es zählt nur noch die egozentrische Liebe zu sich selbst, die Anbetung des Ichs. In allen dreien dieser Serien sind die männlichen Protagonisten Mörder, was schon einen wesentlichen Paradigmenwechsel darstellte. Die Verweigerung weiterer emphatischer Mittel zur Identifikation mit den Protagonisten ist nur ein konsequenter Schritt. Weiterlesen

Michael Arndts erster Akt

Drehbuchautor Michael Arndt hat sich beim Schreiben von “Toy Story 3” einige Gedanken dazu gemacht, was einen guten ersten Akt ausmacht. Dazu hat er die Drehbücher zu “Toy Story”, ” Finding Nemo” und “The Incredibles” analysiert und mit seinen Kollegen von Pixar ein hübsches kleines Video produziert, das man gut als Grundkurs zur Einführung in die klassische Drei-Akt-Struktur verwenden könnte.

John August hat das Kleinod auf einer obskuren YouTube-Seite gefunden und nach Rücksprache mit Michael Arndt auf seiner Seite veröffentlicht. Bleibt zu hoffen, dass Disneys und Pixars Anwälte etwas besseres zu tun haben, als gegen diese Urheberrechtsverletzung vorzugehen. So lange das nicht passiert: hier ist das Video.

Der Showrunner als Regisseur

Was ist der Unterschied zwischen einer tollen und einer misslungenen Serie, hat die Zeit US-Kritiker Alan Sepinwall gefragt. Seine Antwort: “Es ist die Vision. […] Die Autoren hatten sehr spezielle Ansätze und durften das größtenteils genau so umsetzen.”

Wie bereits viele andere vor ihm betont Sepinwall die Wichtigkeit des Showrunners für den Erfolg einer Qualitätsserie. Er ist die Person, “die das letzte Wort hat, die kreative Vision. Der Showrunner ist im Grunde das, was der Regisseur im Kino ist.”

Im Interview erklärt Sepinwall weiter, warum sich mit Netflix alles verändert und was wir in Zukunft für Serien erwarten dürfen. Lesenswert.

house-of-cards

Who Killed the Romantic Comedy?

In einem ausführlichen und gründlich recherchierten Artikel für LA Weekly geht Amy Nicholson der Frage nach, was zum plötzlichen Tod der Romantic Comedy geführt hat: “Who Killed the Romantic Comedy?

Interessant ist dabei ihre Beobachtung, dass für den Erfolg von RomComs weniger die Zugkraft des weiblichen Stars als vielmehr des männlichen Parts entscheidend zu sein scheint. Sowohl Meg Ryan als auch Julia Roberts waren noch völlig unbekannt, als sie mit “When Harry met Sally” und “Pretty Woman” groß herauskamen, während ihre männlichen Gespielen Billy Crystal und Richard Gere schon davor Stars waren.

Ganz ähnlich läuft es in Deutschland, wo die RomCom wie in einer Art Biotop nach wie vor gut funktioniert – solange Matthias Schweighöfer, Til Schweiger, Elyas M’Barek oder – mit Einschränkungen – Christian Ulmen mitspielen. Die Frauen an ihrer Seite scheinen dagegen weitgehend austauschbar zu sein.

Sollte dem deutschen Publikum auch noch die Lust an der RomCom vergehen, sieht es allerdings zappenduster aus fürs deutsche Kino, schließlich ist die romantische Komödie heimischer Bauart das einzige Genre, das einigermaßen zuverlässig ein Millionenpublikum ins Kino lockt. Ohne sie läge der Marktanteil deutscher Filme nicht bei knapp 20 sondern unter 5 Prozent. 

Während Hollywood immer weiter auf immer teurere Superheldenfilme setzt, ist der deutsche Film also bis auf weiteres auf Gedeih und Verderb auf den Erfolg der romantischen Komödie angewiesen.

Besonders nachhaltig sind beide Geschäftsmodelle nicht.

Noch mehr Oscar-Drehbücher

Einen ersten Schwung Drehbücher der diesjährigen Awards-Season habe ich bereits im Dezember vorgestellt, jetzt, wo die Nominierungen feststehen, gibt es vom Script Magazine einen schönen Nachschlag. Leider fehlen immer noch Favoriten wie “American Hustle”, “Blue Jasmin” und “Her”. Aber wenn man etwas googelt, findet man auch die.

Hier ist eine Auswahl der interessantesten neuen Bücher, die komplette Liste kann man beim Script Magazine ansehen. Und die Liste vom Dezember mit 15 weiteren Drehbüchern findet Ihr hier.

»Nebraska« von Robert W. Nelson

»Nebraska«
von Robert W. Nelson

»Dallas Buyers Club« von C. Borten & M. Wallack

»Dallas Buyers Club«
von C. Borten & M. Wallack

»The Spectacular Now« von S. Neustadter & M. H. Weber

»The Spectacular Now«
von Neustadter & Weber

»Frozen« von Jennifer Lee

»Frozen«
von Jennifer Lee

»Saving Mr. Banks« von Kelly Marcel and Sue Smith

»Saving Mr. Banks«
von K. Marcel and Sue Smith

»The Wolf of Wall Street« von Terence Winter

»The Wolf of Wall Street«
von Terence Winter

»August: Osage County« von Tracy Letts

»August: Osage County«
von Tracy Letts

»Fruitvale Station« von Ryan Coogler

»Fruitvale Station«
von Ryan Coogler

»The Way, Way Back«  von Nat Faxon und Jim Rash

»The Way, Way Back«
von Nat Faxon und Jim Rash

Anonymus über »Die ausbleibende Revolution«

Auf seinem Blog d-trick hat Dietrich Brüggemann ein 32-seitiges Papier eines unbekannten Autors mit dem Titel “Die ausbleibende Revolution” veröffentlicht. “Eine Analyse, was die Qualität der neuen US-Serien eigentlich ausmacht und warum genau diese Qualität im deutschen Fernsehen auf unbestimmte Zeit nicht zu sehen sein wird”, lautet die Einleitung des Aufsatzes, die den Inhalt gut auf den Punkt bringt.

Der Autor, angeblich selbst Drehbuchautor, spart in seiner Analyse nicht an beißender Kritik an deutschen Fernsehsendern und ihren Programmverantwortlichen. Verständlich, dass er da lieber unbekannt bleiben möchte und stattdessen unter dem Pseudonym “DJ Frederiksson” firmiert.

Die Analyse selbst ist scharfsinnig und kenntnisreich und liefert einen sehr guten Überblick über die Situation auf dem deutschen und internationalen Serienmarkt. Man hofft inständig, sie möge Pflichtlektüre in deutschen Fernsehredaktionen und Intendantenzimmern werden.

Umso bedauerlicher ist es, dass der Autor trotz seiner im Kern zutreffenden Analyse die Unterschiede zwischen Sparten- und Mainstream-Programmen ignoriert und damit so unterschiedliche Serien wie “Breaking Bad” und “Sherlock” in einen Topf wirft. So großartig “Breaking Bad” in künstlerischer Hinsicht auch ist – eine der “erfolgreichsten Serien aller Zeiten” war die Serie eben nicht, jedenfalls nicht nach Zuschauerzahlen. So wie man im Kino anerkennen muss, dass es mit Arthouse und Mainstream zwei völlig unterschiedliche Märkte gibt, muss man das auch für das Fernsehen akzeptieren.

Autorenserien wie “Breaking Bad”, “Mad Men” oder “The Wire” sind nicht nur bei uns sondern auch in den USA und überall sonst nur bei einem kleinen Nischenpublikum erfolgreich – ganz egal wie viel Raum die Diskussion über sie in den Feuilletons auch einnimmt. Derartige Serien von deutschen Free-TV-Sendern zu fordern, egal ob privat oder öffentlich-rechtlich, ist einfach nicht hilfreich. Es gibt einen Grund, warum diese Serien im Auftrag von Pay-TV-Sendern entstehen, für die, wie “Frederiksson” völlig richtig schreibt, die Quote kein Maßstab ist.

Aber es gibt eben auch moderne, innovative und unkonventionelle Serien wie “Dr. House”, “Sherlock”, “Borgen” oder “Homeland”, die sehr wohl mainstream-fähig sind. Wo sind die deutschen Versuche, derartig ambitioniertes, massentaugliches Fernsehen zu machen? Dass es diese Versuche erst gar nicht gibt, da hat “DJ Frederiksson” völlig recht, ist die eigentliche Bankrotterklärung des deutschen Fernsehens.

Dass die privaten Sender derartige Wagnisse scheuen ist nachvollziehbar, schließlich leben sie von der Quote. Und auch den öffentlich-rechtlichen Sendern muss man zugestehen, dass eine teure eigenproduzierte Serie quotenmäßig zumindest in der Nähe des Senderschnitts liegen sollte. Aber: gäbe es im deutschen Fernsehen zur Primetime eine hervorragend gemachte Politserie wie “Borgen” oder “The West Wing” – welcher Politiker würde den Sendern wohl vorwerfen, dass sie nicht die selbe Quote bringt wie der sonntägliche “Tatort”? Welcher Publizist würde es wagen, die Existenzberechtigung eines öffentlich-rechtlichen Senders, der so ein Programm macht, in Frage zu stellen? Denn, da haben die Intendanten durchaus recht, um die Legitimation der Existenz der Öffentlich-rechtlichen geht es inzwischen durchaus.

Wann verstehen die öffentlich-rechtlichen Programmmacher endlich, dass sie sich und ihre Sender einzig und allein durch die gesellschaftlich anerkannte Qualität ihres Programms unersetzbar machen können und nicht durch möglichst gute Quoten? Dass den Öffentlich-rechtlichen eine solche breite gesellschaftliche Anerkennung für ihr Programm derzeit fehlt, wird ernsthaft wohl niemand bestreiten wollen.

Aber derartige Gedankenspiele sind den öffentlich-rechtlichen Programmmachern offenbar völlig fremd. Zumindest lassen die zunehmend realitätsfremden Aussagen einzig und allein auf Quoten fixierter öffentlich-rechtlicher Programmverantwortlicher nichts anderes vermuten.

Das Gefühl, dass es eine Revolution im deutschen Fernsehen braucht, wird immer drängender. Gleichzeitig steigen nicht nur bei Autoren wie “DJ Frederiksson” die Befürchtungen, dass diese längst überfällige Zeitenwende in deutschen Fernsehredaktionen leider ausbleiben wird. Und das ist, man kann es nicht anders sagen, ein Jammer.

»House of Cards«: Portrait Beau Willimon

Nachdem “House of Cards” auf Sat.1 grandios gefloppt war, schrieben einige pikierte Journalisten, das wäre der Beweis, dass der deutsche Fernsehzuschauer zu doof für gutes Fernsehen sei. Dabei war es vielmehr nur ein weiterer Beweis dafür, dass die hochgelobten amerikanischen Qualitätsserien nichts für ein Mainstream-Publikum sind – bei uns genauso wenig wie in den USA.

Wer die Serie trotzdem gesehen hat oder mehr darüber erfahren möchte, der sollte das ausführliche Portrait von “House of Cards”-Showrunner Beau Willimon im Magazin der New York Times lesen.

Darin erfährt man nicht nur, dass neben David Fincher auch Jodie Foster bei einigen Episoden der Polit-Serie Regie geführt hat, sondern bekommt mal wieder bestätigt, dass das eigentliche Erfolgsgeheimnis dieser Serien die starke Rolle des Autoren bzw. Showrunners ist, weshalb man sie eigentlich am besten als “Autorenserien” bezeichnen sollte.

Leider haben wir keine finanziell gut ausgestatteten Pay-TV- oder Spartensender, die es sich leisten könnten, derartige Serien zu produzieren. Aber wir haben öffentlich-rechtliche Sender, die dem, was Pay-TV ist, eigentlich sehr nahe kommen könnten – wenn sie nur das Selbstverständnis etwa des dänischen Staatsfernsehens an den Tag legen würden, dass es die erste Aufgabe eines öffentlich finanzierten Senders sein sollte, vor allem Qualität zu produzieren und nicht Quote.

Stattdessen machen unsere Öffentlich-rechtlichen mit ihrem Senioren-Fernsehen lieber ihre eigene Form des Spartenfernsehens.

Antithese zum Anti-Guru

Wie könnte dieser Blog das neue Jahr schöner beginnen als mit zwei Artikeln mit zwei völlig gegensätzlichen Standpunkten zum selben Thema?

Nach Brian Koppelmans leidenschaftlicher Zurückweisung sämtlicher Drehbuchlehren ist Linda Segers Nachruf auf Ur-Drehbuchguru Syd Field eine wunderbare Verteidigung eben dieser Theorien.

Linda Seger gehört mit Robert McKee, Christopher Vogler und John Truby gewissermaßen zum inneren Kreis des von Koppelman so geschmähten “screenwriting instruction industrial complex”. In ihrem Nachruf beschreibt sie sehr anschaulich, wie er entstanden ist – und welche Konsequenzen die Verbreitung all dieser Drehbuchtheorien hatte.

Denn so sehr man sich reflexartig gegen die Tendenz zum Formelhaften wehren kann und muss, die vereinheitlichende dramaturgische Theorien zwangsläufig mit sich bringen, darf man nicht vergessen, dass diese Theorien die Grundlage dafür geschaffen haben, dass wir uns auf mehr als nur geschmäcklerischem Niveau  über das Schreiben von Drehbüchern auseinandersetzen können.

Das größte Verdienst der “Drehbuchgurus” ist es sicherlich, dass sie eine Sprache geschaffen haben, die es erlaubt, Elemente eines Drehbuchs zu benennen. Wenn man sich am Ende über bestimmte Regeln einer Theorie hinwegsetzt, weiß man so wenigstens, dass man es tut und fischt nicht mehr ganz im Trüben.

Die heftige Ablehnung von Drehbuchtheorien und ihren Gurus durch Autoren wie Koppelman erklärt sich sicherlich auch aus dem Absolutheitsanspruch, mit dem Dramaturgie-Lehrer wie Syd Field oder Robert McKee ihre Theorien oft vertreten – und aus der Tendenz aus diesen Theorien simpelste “Malen-nach-Zahlen”-Anleitungen à la “Save the Cat” zu stricken. Ganz so einfach ist es eben doch nicht, ein gutes Drehbuch zu schreiben. 

Anstatt als starres Regelwerk sollte man Drehbuchtheorien als das sehen, was sie sind: Werkzeuge, denen man sich als Autor bedienen kann, um seine Geschichte aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten. Der wichtigste Leitfaden für jeden Autor ist am Ende immer die Geschichte selbst.

Syd Field: A Historical Perspective - Script Magazine

Brian Koppelman: Anti-Guru

Der Autor und Regisseur Brian Koppelman (“Ocean’s Thirteen”, “Runner Runner”) hat im September mit seiner ersten “Six Second Screenwriting Lesson” auf Vine eine schöne Kontroverse ausgelöst. Hier ist er, kurz und knackig:

In einem lesenswerten Beitrag auf seinem Blog erläutert Koppelman ausführlich, warum er trotz des Aufschreis, den er damit ausgelöst hat, zu seiner Aussage steht. In einem weiteren Vine setzt er sogar noch einen drauf:

“The so-called screenwriting guru is really the so-called screenwriting con man. Don’t listen to them, if you don’t know their movies.”

Damit legt er fraglos einen Finger in die Wunde, denn tatsächlich hat kaum einer der so verehrten Drehbuch-Gurus je selbst einen nennenswerten Film hervorgebracht. Allerdings darf man auch die Frage stellen, ob das wirklich problematisch ist, schließlich muss ein guter Lehrer nicht unbedingt selbst gut in dem sein, was er lehrt – auch wenn es irgendwie beruhigender wäre.

Wie auch immer man dazu steht, mit einem hat Koppelman sicher recht: wichtiger als jede Drehbuchlehre ist es, Filme zu gucken und zu analysieren und möglichst viele Drehbücher zu lesen. Praktischerweise hat Scott Myers von “Go into the Story” hier eine Liste mit 78 Drehbüchern veröffentlicht, die man sich ganz legal herunterladen kann. Einige davon habe ich selbst schon hier geposted, aber Myers Liste ist wesentlich ausführlicher.