It’s the creative, stupid!

Kevin Spacey hat auf dem Fernsehfestival in Edinburgh eine so scharfzüngige wie unterhaltsame Rede gehalten, von der man nur hoffen kann, das sie von jedem, der in einem Fernsehsender etwas zu sagen hat, gesehen wird.

Wer nicht so viel Zeit hat, sich die ganze Rede anzusehen, die immerhin 46 Minuten lang ist, sollte ab Minute 21:40 hineinschauen, wo Spacey ans Eingemachte geht. Hier sind die besten Passagen daraus.

Zunächst beschreibt Spacey die Reaktion der Networks auf sein Projekt “House of Cards” und kritisiert die vorherrschende Praxis des Pilotierens der US-Sender. Die Idee von Netflix, alle Folgen von “House of Cards” auf einmal zu veröffentlichen, sei ein voller Erfolg gewesen:

“The audience wants the control. They want the freedom. If they want to binge […] let them binge. […] Through this new form of distribution we have demonstrated that we have learned the lesson, the music industry didn’t learn: Give people what they want, when they want it, in the form they want it in, at a reasonable price and they’ll more likely pay for it rather than steal it.”

Anschließend kommt Spacey direkt zur Gretchenfrage des Fernsehens und ruft eindringlich zu einem Wandel der Einstellung der Fernsehmanager zu den kreativen Talenten auf:

“We get what the audiences want: they want quality. We get what the talent wants: artistic freedom.  And the only way to protect talent and the quality of our work is to be innovative. We also get what the corporations want […]: They want to make money. And we need them to be profitable so that they can continue to fund high quality production. They want the highest possible audiences with the greatest impact. We get it. The challenge is: can we create an environment, where executives, who live in data and numbers, are emboldened and empowered to support our mission? To have an environment in that leadership will take risks, willing to experiment, be prepared to fail, aiming higher rather than playing it safe? […] We need to be better than the audience. We need to surprise, break boundaries and take viewers to new places. We need to give them better and better quality. We might not disrupt the status quo over night. But we can mould structures at the center of our businesses, because if we really, truly, put talent at the heart of everything we do, we might just be able to have greater highs across a broader spectrum of this industry.”

Anschließend beschreibt Spacey die Erfolgsgeschichte von “Breaking Bad”, das in den ersten Staffeln alles andere als berauschende Zuschauerzahlen erreicht hat und erst nach Veröffentlichung auf Netflix und cleverer Wiederholungsprogrammierung zu dem Hit wurde, der die Serie inzwischen ist.

Schließlich kommt Spacey auf das neue “Goldene Zeitalter” des Fernsehens zu sprechen: es sei keine Frage mehr, dass das Fernsehen mit Serien wie den “Sopranos” bis hin zu “Mad Men” heute das Kino an erzählerischer Qualität in den Schatten stellt. Er prophezeit, dass die Studios und das Kino dem Untergang geweiht sind, wenn sie nicht auf die wachsende Komplexität im Storytelling reagieren und erklärt die Unterschiede zwischen Kino- und Fernsehfilm oder Serie für überholt, weil das Publikum diese Unterscheidung auch nicht mehr vornimmt.

Schließlich wendet sich Spacey noch gegen den Nihilismus des “Nobody knows anything”:

“We do know how this works and it’s always been about empowering artists. […] We know what works. The only thing we don’t know is, why is it so difficult to find executives with the fortitude, the wisdom and the balls to do it?”

Schließlich kommt Spacey zu einem flammenden Aufruf:

“To an unheard of degree, we are finally free from that whory old shadow cast over television since its inception: the shadow of ratings. Not one of us in this room will ever see a 30-share in his lifetime and that’s a wonderful, freeing thing! Netflix did it right and focused on the things that have replaced the dumb, raw numbers of the Nielsen world: they embraced targeted marketing and brand as a virtue higher than ratings. And the audience has spoken: they want stories! They are dying for them. They are rooting for us to give them the right thing. And they will talk about it, binge on it, carry it with them on the bus and to the hairdresser, force it on their friends, tweet, blog, facebook, make fanpages, silly gifs and god knows what else about it. Engage with it, with a passion and intimacy that a blockbuster movie could only dream of. And all we have to do is give it to them. The price fruit is right there, shinier and juicier than its ever been before. So it will be all the more shame on each and every one of us, if we don’t reach out and seize it.”

Hier ist die ganze Rede:

Der Sender der bösen Männer

Vor “Mad Men” und “Breaking Bad” war AMC nur ein Sender unter hunderten, der im US-Kabelnetz alte Kamellen vor sich hin sendete.

Zachary M. Seward erzählt in einem Beitrag auf Quartz die ungewöhnliche Erfolgsgeschichte des kleinen amerikanischen Kabelsenders und zeigt die wirtschaftlichen Zusammenhänge dahinter auf. Lesenswert!

Im goldenen Zeitalter der Antihelden

Für den Atlantic hat Hope Reese ein äußerst lesenswertes Interview mit dem Autor Brett Martin geführt. In seinem bereits erwähnten Buch “Difficult Men” beschreibt Martin, wie die Einführung von komplexen Antihelden als Hauptfiguren in Serien wie “The Sopranos”, “The Wire”, “Mad Men” oder “Breaking Bad” das “Dritte Goldene Zeitalter des Fernsehens”, wie er es nennt, eingeläutet hat.

antiheroes

Für Martin sind diese Serien die prägende Kunstform des neuen Jahrtausends – eine Art kulturelles Leitmedium, vergleichbar mit den Kinofilmen von Scorsese, Altman und Coppola in den 70er Jahren und den Romanen der Beat-Generation der 60er Jahre.

Als Grund für die Attraktivität von ambivalenten männlichen Antihelden sieht Martin die männliche Identitätskrise der späten 90er und frühen Nullerjahre – ein Trend, der sich seiner Meinung nach mit Serien wie “Girls” oder “The Newsroom” möglicherweise bereits wieder überlebt hat.

Einige Wochen zuvor hat sich Akash Nikolas übrigens bereits auf die Suche nach weiblichen Antiheldinnen begeben, ebenfalls im Atlantic.

Update: Dorothy Snarker hat zu diesem Thema auf IndieWire nachgelegt: “In Praise of the Difficult Women”.

Wo ist die Lobby für die Serie?

Zum Amtsantritt des neuen WDR-Intendanten Tom Buhrow stellt Norbert Schneider in der FAZ die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der üblicherweise mit Journalisten besetzten Führung öffentlich-rechtlicher Sender und der schwachen Stellung der Fiktion, vor allem der Serie, bei ARD und ZDF gibt.

Dabei weist er auf einen wunden Punkt hin, der in der Diskussion in der Tat oft vernachlässigt wird:

“Wenn man sich Serien wie „Mad Men“ in Deutschland produziert nicht vorstellen kann, dann gibt es sie zunächst deshalb nicht, weil es die Bücher nicht gibt. Die aber gibt es vor allem deshalb nicht, weil die Drehbuchautoren (und die Produzenten) sich den zeitlichen Vorlauf, der nötig wäre, nicht leisten können. Und warum? Das können sie deshalb nicht, weil das System, das sich diese Serien finanziell locker leisten könnte – schließlich ist es das reichste der Welt -, weil das System sie sich nicht leistet. Nicht einmal: sich nicht leisten will. Sondern viel einfacher: sich nicht leistet. Weil es keinen gibt, der sich der Sache derart annimmt, dass sie etwas werden könnte.”

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Herstellung fiktionaler Programme eigenen Gesetzen folgt, die sich vom sonstigen Fernsehgeschäft stark unterscheiden – vor allem hinsichtlich der Zeit, die es braucht, um sie zu realisieren. Während  ein Journalist gewohnt ist, in Zeiträumen von Tagen, Wochen oder bestenfalls Monaten zu denken, ist allein die Entwicklung guter Drehbücher oft eine Sache von Jahren – eine Zeit, die den Machern im schnelllebigen Fernsehgeschäft viel zu selten zugestanden wird. Das Ergebnis sind unterentwickelte Drehbücher, halbgare Geschichten und wenig aufregende Filme und Serien.

Schneider kommt zu dem Schluss, dass das fiktionale Programm im deutschen Fernsehen keine starke Lobby hat und fordert ein Umdenken. Wenn wir nicht immer neidisch nach Amerika oder – paradoxerweise – Schweden oder Dänemark schielen wollen, muss das Fiktionale und speziell die stiefmütterlich behandelte Serie zur Chefsache werden. Wahre Worte.

Tony Soprano

Neues Geld für alte Sender

Obwohl die Werbeerlöse der großen Free-TV-Sender in den USA – den sogenannten “Networks” ABC, CBS, NBC und Fox – seit Jahren stetig sinken, sind sie finanziell so gut aufgestellt wie nie zuvor. Wie Josef Adalian in einem aufschlussreichen Artikel auf Vulture.com aufzeigt, haben sich die Networks in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Finanzierungswege erschlossen.

Vor allem Streaming-Dienste wie Netflix aber auch Amazon tragen substantiell zum Budget neuer Serien bei, aber auch Auslandsvorverkäufe spielen eine immer größere Rolle. So kann CBS etwa für seine Stephen-King-Adaption “Under the Dome” schon im Vorfeld das gesamte Produktionsbudget der Serie refinanzieren.

Für weniger prominente Produktionen dürfte das allerdings nicht im gleichen Maß gelten. Und wie lange der Geldregen der Streaming-Anbieter andauert, ist ebenfalls fraglich. Trotzdem: der oft beschworene Untergang des klassischen linearen Fernsehens fällt wohl erst einmal aus.

Die Schweiz in Dänemark

Und noch ein Artikel über das dänische Serienwunder: diesmal hat Peer Teuwsen für Zeit Online eine Delegation des Schweizer Fernsehens nach Dänemark begleitet, die dort erfahren möchte, wie die Dänen das hinkriegen mit den tollen Serien.

Ob man die dänischen Serien nun gleich “die besten der Welt” nennen muss, sei dahingestellt. Aber zweifellos haben sie eine Qualität, von der wir nur träumen können. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die drei “Dogmen”, die die Kollegen vom dänischen Fernsehen aufgestellt haben:

  1. “Der Autor ist die Voraussetzung für unsere Existenz.”
  2. “Wir möchten Geschichten erzählen, die uns etwas über uns selbst erzählen. So verstehen wir unseren öffentlich-rechtlichen Auftrag, dafür bezahlen uns die Bürger.”
  3. “Es darf keine Konsensentscheidungen geben.”

Das kann man alles nur unterschreiben.

borgen2

Interessant in dem Artikel ist auch der kleine Einblick in das Fernsehland Schweiz. Von der Einwohnerzahl her in etwa mit Dänemark vergleichbar, hat die Schweiz aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit allerdings nicht einen einheitlichen Fernsehmarkt sondern drei. Wahrlich keine beneidenswerte Situation.

Was einen einmal mehr dazu verleitet, nachzudenken, was in einem vergleichsweise großen Markt wie Deutschland möglich sein könnte.

Die deutsche Serie: verzweifelt gesucht

Über die merkwürdige Argumentation, dass es in Deutschland aufgrund fehlender “Serientradition” keine guten Serien gebe, habe ich mich auch schon gewundert. Jens Mayer äußert sich zum selben Thema in einem schönen Kommentar auf Torrent. So mokiert er sich zu Recht darüber, dass Fernsehsender nun schon Mini-Produktionen wie den “Tatortreiniger” oder “Lerchenberg” als Serien ausgeben.

fahnder

Vor allem aber kritisiert  Mayer , dass den deutschen Senderchefs offenbar das Bewusstsein dafür fehlt, wie wichtig eine erfolgreiche, langlaufende Serie für einen Fernsehsender sein kann:

Bei all der aktuellen Euphorie über die (zumindest hierzulande) meist positiven Reaktionen auf Mehrteiler wie Unsere Mütter, unsere Väter vergessen die Programmmacher anscheinend gerne die Identitätsstiftung, die eine über Jahre laufende Serie für einen Sender bieten kann. Wir wissen auch heute noch, auf welchem Kanal Monaco Franze oder Kir Royal liefen, Der Fahnder oder Auf Achse, Die Schwarzwaldklinik oder Ich heirate eine Familie. Es wird vergessen, wie sehr fortlaufend erzählte Stories und langlebige Figuren die Zuschauer an die Sendermarke binden, wie positiv sie damit besetzt wird.

Sollte deutschen Fernsehmachern tatsächlich entgangen sein, dass die Serie nicht zuletzt aus den von Mayer genannten Gründen das ureigenste Format und die Königsdisziplin des Fernsehens ist? Oder liegt es doch nur wieder an dem, was zu beklagen inzwischen wirklich nur noch ein Klischee ist: dem fehlendem Mut der Verantwortlichen?

Kaputte Familien

Angelika Unterholzner weist auf ihrem Blog Flixe auf eine Hitliste der dysfunktionalsten Serienfamilien hin, die vor kurzem die Los Angeles Times veröffentlicht hat.

Eine wirklich schöne Sammlung all der schrecklich netten Familien, die wir in amerikanischen Serien so sehr mögen und im deutschen Fernsehen so schmerzlich vermissen. Angelika Unterholzner bringt es in ihrem Beitrag schön auf den Punkt:

“Diese Familien sind vom dem geprägt, was die meisten Serien der jüngeren Vergangenheit so sehenswert macht: von Tabubrüchen, Geheimnissen und Abgründen.”

Neues von der Urknalltheorie

Wer die zweite Hälfte der sechsten Staffel von “The Big Bang Theory” noch nicht gesehen hat, sei vorgewarnt: das Interview mit Producer Steve Molaro auf Vulture enthält einige Spoiler.

Wem das egal ist – es ist schließlich eine Sitcom – der erfährt hier, wie die Macher zu einigen Standards der Serie stehen: Werden wir jemals Howards Mutter zu Gesicht bekommen? Wann bekommt William Shatner endlich einen Gastauftritt? Wie ist Pennys Nachname? Und wird sie irgendwann als Schauspielerin Erfolg haben?

So viel sei auf jeden Fall schon einmal verraten: das Liebesleben der vier Nerds wird in den letzten zwei Episoden tiefgreifende Veränderungen erfahren!

Diane Kruger auf der »Brücke«

Man darf gespannt sein auf die amerikanische Adaption der dänisch-schwedisch-deutschen Serie “Die Brücke”, im ZDF gelaufen mit dem reißerischen Zusatztitel “Transit in den Tod”: schließlich dürfte es eine Weile her sein, dass eine Serie mit deutscher Beteiligung den Sprung über den großen Teich geschafft hat.

Die Hauptrolle der autistisch angehauchten Kommissarin spielt in der amerikanischen Neuinterpretation unser deutscher Exportschlager Diane Kruger . Die im Original im dänisch-deutschen Grenzgebiet angesiedelte Geschichte um einen auf soziale Missstände aufmerksam machenden Serienmörder wurde für die Adaption an die Grenze zwischen den USA und Mexiko verlegt.

Die FAZ hat mit Diane Kruger über ihre erste große Fernsehrolle gesprochen. In der Vorbereitung auf ihre Rolle als Frau mit Asperger Syndrom, habe ihr ihre Autismus-Beraterin gesagt, dass sie selbst einige ähnliche Verhaltensweisen an den Tag lege. Krugers wunderbare Antwort darauf: “Ich bin halt deutsch.”

»Breaking Bad« und Komagucken

Der Schöpfer von “Breaking Bad” Vince Gilligan glaubt, dass die Serie ohne das Phänomen des Komaguckens – die Amerikaner nennen es “binge watching” – niemals einen derartigen Erfolg gehabt hätte. So hat er es jedenfalls “Wired” erzählt.

Wobei “Erfolg” relativ ist: obwohl die Zuschauerzahlen über die letzten Staffeln hinweg stetig gestiegen sind, erreichte “Breaking Bad” in der ersten Hälfte der letzten Staffel in den USA durchschnittlich gerade mal 2,6 Mio. Zuschauer – das ist ungefähr so viel wie beispielsweise “Danni Lowinski” üblicherweise im rund vier mal kleineren deutschen Markt erreicht.

Über die eigenartige Ökonomie hinter der Serie habe ich ja bereits hier ausführlich geschrieben – erstaunlich sind diese “Erfolgs”-Zahlen aber immer wieder.

Das Serienchef-Prinzip

Dass den Dänen und ihrem öffentlich-rechtlichen Sender Danmark Radio mit “Borgen” und anderen Serien ein kleines europäisches Fernsehwunder gelungen ist, habe ich bereits im Januar ausführlich beschrieben.

Die “Zeit” hat unserem öffentlich-rechtlichen Rundfunk letzte Woche ein umfangreiches Special gewidmet. Darin hat sich Ulrich Stock ebenfalls auf Spurensuche nach dem Grund für den erstaunlichen Erfolg der Dänen begeben. Für den Autor Adam Price und die Produzentin Camilla Hammerich ist die Antwort darauf ganz einfach: Vertrauen.

“[…] nachdem das Team einmal grünes Licht bekommen hatte, durfte sich niemand mehr einmischen. Da wurde nichts zensiert, nichts geschnitten, nichts verhalbherzigt. ‘Bei uns gilt ein Skript als Kunstwerk’, sagt Adam. – ‘In vielen Sendern gibt es zu viele Bosse’, sagt Camilla. Je weniger Hierarchie, desto mehr Idee. In der fünf Jahre langen Arbeit an Borgen gab es nur einen, der inhaltlich das Sagen hatte: den Drehbuchautor Price.”

Borgen

Kreative Autonomie oder, wie Ulrich Stock schreibt, das Serienchef-Prinzip, ist das Geheimnis aller hochgelobten Fernsehserien – seien sie aus den USA, Großbritannien, Dänemark oder auch Österreich.

Bemerkenswerterweise richten sich die europäischen Erfolgsserien aus allesamt öffentlich-rechtlicher Schmiede wie “Downton Abbey”, “Borgen” oder auch “Braunschlag” im Gegensatz zu den auf ein Nischenpublikum zugeschnittenen Arthouse-Serien der amerikanischen Kabelsender an ein Mainstream-Publikum – und erzielen dabei auch noch regelmäßig Traumquoten.

Ein weiteres entscheidende Merkmal all dieser Serien ist, dass sie horizontal erzählt werden, also keine in sich geschlossene Episodenhandlung aufweisen. Zumindest bei der ARD scheint es für so etwas in ihrem durchformatierten Programmschema aber keinen Platz zu geben, wie Volker Herres im Interview mit der “Zeit” unumwunden zugab.

Beim ZDF zeigt man sich da flexibler. Es ist insofern vielleicht auch kein Zufall, dass mit “Das Adlon”, “Unsere Mütter, unsere Väter”, “Verbrechen” oder auch “Lerchenberg” einige der interessantesten deutschen Fernsehproduktionen der letzten Zeit aus Mainz kamen.

Den Sprung zur vollwertigen, horizontal erzählten Primetime-Serie hat allerdings auch das ZDF noch nicht gewagt. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen.

Die Mysterien von JJ Abrams

Das Konzept der “dramatischen Frage” gehört schon länger zum festen Repertoire des dramaturgischen Handwerkszeugs. Der Lost-Autor und zukünftige Star-Wars-Regisseur JJ Abrams gibt diesem Konzept einen charakteristischen Twist, indem er es als “Mystery Box” bezeichnet, wie Carson Reeves auf seinem Blog Scriptshadow erläutert, wo er einen äußerst unterhaltsamen TED-Talk von JJ Abrams ausgegraben hat.

Für manch einen mag Abrams das Spiel mit den Mysterien in der Fernsehserie “Lost” ein wenig zu weit getrieben haben. Aber auch wenn man nicht so weit gehen möchte, ist das Konzept einer “Mystery Box”, die das Interesse des Zuschauers aufrecht erhält, eine interessante Überlegung.

Hier ist der sehenswerte TED-Talk von JJ Abrams:

Vince Gilligan über das Ende von »Breaking Bad«

Ein gutes Ende für eine erfolgreiche Serie zu schreiben, ist alles andere als leicht – vor allem bei Serien wie “Breaking Bad”, die nicht episodisch geprägt sind, sondern horizontal durcherzählt werden.

Während ein Spielfilm von vorneherein auf den Höhepunkt und die Auflösung hin konstruiert wird, müssen Autoren das Ende einer Serie gewissermaßen improvisieren. Insofern ist es wenig überraschend, dass das Ergebnis gelegentlich auch enttäuscht, wie etwa bei “Lost” oder den “Sopranos”.

Es ist daher eine spannende Frage, wie Vince Gilligan und seine Autorenkollegen eine der herausragendsten Serien der letzten Zeit beenden werden: Geht Walter White ins Gefängnis? Stirbt er? Oder kommt er irgendwie davon?

In einem Interview gibt Vince Gilligan auf Vulture interessante Einblicke in den kreativen Prozess rund um die letzte Staffel von “Breaking Bad” und hat auch ansonsten viel interessantes zu sagen.

Das Ende verrät er natürlich nicht, außer, dass es seiner Einschätzung nach eine Art Sieg für Walter White ist – aber so wie man ihn kennt sicherlich mit einem interessanten Twist.

 

Kunst und Kommerz

In einem lesenswerten Artikel in der New York Times beschreibt David Carr den Siegeszug der Anti-Helden in den Serien der US-Kabelsender. Anlass dafür ist ein demnächst erscheinendes Buch von Brett Martin mit dem Titel “Difficult Men: Behind the Scenes of a Creative Revolution”.

Difficult menIn dem Buch beschreibt Martin die Revolution, die nötig war, um derartige Serien zu entwickeln: die kreativen Erfinder der Serien, die Autoren, wurden zu Produzenten.

Damit wurde eine uralte Maxime des Filmgeschäfts auf den Kopf gestellt. Seit den Anfängen des Films waren Drehbuchautoren selten mehr als “Hired Guns”, die schreiben sollten, was Studiobosse oder Filmproduzenten für produzierbar hielten. Wer zahlt schafft an.

Wenn es darum geht, mit Filmen ein möglichst großes Mainstream-Publikum zu erreichen, scheint diese Arbeitsteilung auch gewissen Vorteile zu bieten: der ewige Kampf zwischen Kunst und Kommerz manifestiert sich gewissermaßen im Duopol von Autor und Produzent. Dass das Ergebnis dieses Kampfes nicht immer sehenswert ist, wissen wir alle aus leidvoller Erfahrung. Im besten Fall entstehen dadurch aber die Publikumshits, von denen das Geschäft letztendlich lebt. Weiterlesen