Wird Crowdfunding erwachsen?

Dass Zach Braff auf Kickstarter inzwischen fast 3 Mio. $ für seinen neuen Film “Wish I was here” eingesammelt hat, hat in der sogenannten “Netzgemeinde” für viel Unmut gesorgt. Ist es okay, wenn ein bekannter Fernsehstar über eine solche Crowdsourcing-Plattform um Geld bittet? Warum eigentlich nicht?, findet Clive Davies-Frayne in einem Beitrag auf ScriptMag.com.

Braff-kick

Wenn sich Filmemacher, prominent oder nicht, durch eine derartige Zusatzfinanzierung ein größeres Maß an kreativer Unabhängigkeit bewahren können, ist dagegen in der Tat wohl wenig einzuwenden, denn was entspricht mehr dem Spirit des Independent-Kinos?

Auch das Argument, jemand wie Zach Braff könnte ja auch sein eigenes Geld in den Film investieren, zieht nicht wirklich. Zum einen ist es auch und gerade für Stars nicht immer leicht, einzuschätzen, ob beim Publikum Interesse für einen Film besteht. Eine Crowdsourcing-Kampagne ist dabei nicht nur ein guter Gradmesser sondern gleichzeitig ein hervorragendes Marketing-Instrument.

Zum anderen gilt natürlich auch hier die altbewährte, eiserne Regel des Filmgeschäfts, nach der Filme ausschließlich über OPM zu finanzieren sind: Other People’s Money.

Update: Woody Allen ist jetzt anscheinend auch ganz wild auf Crowdfunding.

Wo war Terrence Malick?

Er gilt als einer der besten Filmemacher aller Zeiten, und das, obwohl er in 40 Jahren bislang nur bei sechs Filmen Regie geführt hat: Terrence Malick ist eine Klasse für sich und mit Sicherheit einer der eigentümlichsten Regisseure überhaupt. Es gibt wohl kaum einen anderen erfolgreichen Regisseur, der mal eben für 20 Jahre komplett von der Bildfläche verschwindet, um dann wieder mit neuen Meisterwerken zu überraschen.

In einem ausführlichen Portrait in der Los Angeles Review of Books räumt der Filmkritiker Michael Nordine mit einigen Geheimnissen rund um den öffentlichkeitsscheuen Filmemacher auf und macht klar, dass Malick eigentlich nie weg war – nur ist aus den Projekten, an denen er in der Zwischenzeit arbeitete aus verschiedensten Gründen nie etwas geworden.

So eröffnet Nordine sein Portrait auch mit einem programmatischen Zitat von James Sterngold, das sein Œu­v­re schön auf den Punkt bringt: “Terrence Malick has legendary status for two things: the movies he has made, and the movies he has not made.”

Malick

Die Mysterien von JJ Abrams

Das Konzept der “dramatischen Frage” gehört schon länger zum festen Repertoire des dramaturgischen Handwerkszeugs. Der Lost-Autor und zukünftige Star-Wars-Regisseur JJ Abrams gibt diesem Konzept einen charakteristischen Twist, indem er es als “Mystery Box” bezeichnet, wie Carson Reeves auf seinem Blog Scriptshadow erläutert, wo er einen äußerst unterhaltsamen TED-Talk von JJ Abrams ausgegraben hat.

Für manch einen mag Abrams das Spiel mit den Mysterien in der Fernsehserie “Lost” ein wenig zu weit getrieben haben. Aber auch wenn man nicht so weit gehen möchte, ist das Konzept einer “Mystery Box”, die das Interesse des Zuschauers aufrecht erhält, eine interessante Überlegung.

Hier ist der sehenswerte TED-Talk von JJ Abrams:

Interview mit William Goldman

Er ist einer der renommiertesten Drehbuchautoren Hollywoods: William Goldman hat zwei Oscars gewonnen und zahlreiche Bücher geschrieben, darunter der äußerst unterhaltsame Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik “Adventures in the Screen Trade“. Am bekanntesten ist er sicherlich für sein Bonmot “Nobody knows anything.”

Scott Myers von der Black List hat ein Interview mit dem 82-Jährigen geführt, der nicht nur in Erinnerungen schwelgt sondern immer noch als Drehbuchautor aktiv ist und sich bestens mit aktuellen Filmen auskennt. Das über 90 Minuten lange Gespräch wird etwas langatmig, aber zumindest die ersten 5 Minuten sollte man gesehen haben.

Beau Willimon über Frank Underwood

Zur Frage, ob eine Hauptfigur den Sympathietest bestehen muss, habe ich gerade eben erst geschrieben. Der Autor und Showrunner der Netflix-Serie “House of Cards” Beau Willimon hat mit Kevin Spaceys Frank Underwood eine Figur geschaffen, die erst gar nicht versucht, sympathisch zu erscheinen. Auch Willimon ist der Ansicht, dass nicht Sympathie ausschlaggebend für eine gute Hauptfigur ist, sondern Interesse und Anteilnahme.

Willimon argumentiert, dass uns unmoralische Figuren in Geschichten möglicherweise deshalb faszinieren, weil sie uns erlauben, gefahrlos unsere eigenen unmoralischen Seiten zu ergründen. Ein interessanter Aspekt.

Wer mehr über Willimons Ansichten zu Netflix, Binge-Watching (kann da mal jemand ein deutsches Wort für erfinden?) und Walter White erfahren möchte, sollte sich den ganzen Artikel auf Vulture durchlesen. Und wer dann noch mehr wissen will, kann sich hier ein Podcast-Interview mit ihm ansehen.

Wie George und Steven auf Indy kamen

Was bei Drehbuchbesprechungen geschieht, dringt selten ans Licht der Öffentlichkeit. Der Grund dafür ist einfach: der kreative Prozess braucht einen geschützten Raum, in dem es möglich ist, auch schlechte Ideen zu äußern, ohne irgendwann schadenfroh darauf festgenagelt zu werden.

Je prominenter die Beteiligten sind, desto stärker wird in der Regel auf Geheimhaltung geachtet. Umso erstaunlicher ist es, dass es ein Transkript einer Brainstorming-Session von zwei der größten Hollywood-Legenden überhaupt gibt: Ende Januar 1978 trafen sich George Lucas und Steven Spielberg für ein paar Tage auf Hawaii, um gemeinsam mit Drehbuchautor Lawrence Kasdan über eine Film-Idee von George Lucas zu sprechen.

In der Geschichte soll es um einen hemdsärmeligen Archäologen gehen, der auf der Suche nach einem Schatz um die ganze Welt reist und dabei von einem Abenteuer ins nächste gerät. Die Rede ist natürlich von “Indiana Jones” und das Transkript kann man unfassbarerweise einfach so hier herunterladen.

Wer nicht die ganzen 90 Seiten des Transkripts studieren will, kann in einem Artikel im New Yorker eine gute Zusammenfassung des Gesprächs der beiden Hollywood-Giganten nachlesen.

Gleich am Anfang beschreibt George Lucas das Grundkonzept des Films, nach dem heute fast jeder Blockbuster gestrickt ist: es soll sich ein großes Set-Piece ans nächste reihen.

“And each cliffhanger is better than the one before”, fügt Spielberg begeistert hinzu. “What we’re doing here, really, is designing a ride at Disneyland”, resümiert er wenig später.

Leicht lesbar ist das Transkript nicht gerade, aber dafür bietet es einen ungeschminkten Einblick in die Arbeitsweise von zwei Filmemachern, die das Kino von heute geprägt haben wie niemand sonst. Ein echter kleiner Schatz.

5 Fragen an eine Szene

Auf seinem Blog “Living the Romantic Comedy” schreibt Billy Mernit über den kürzlich verstorbenen Autor Henry Bromell, der unter anderem einige Folgen von “Homeland” geschrieben hat.

Über die Frage, was eine gute Szene ausmacht, kann man trefflich streiten. Noch interessanter ist die Frage, wie man zu einer guten Szene kommt. Mernit beschreibt fünf Fragen, die Bromell beim Schreiben an jede Szene gestellt hat. Hier ist meine freie Übersetzung seiner persönlichen “Big Five”:

  1. Haben wir so eine Szene schon mal gesehen?
  2. Gibt es in der Szene einen Konflikt?
  3. Hat die Szene Subtext?
  4. Hat die Szene einen Bogen?
  5. Sind Sprache und Ton der Szene interessant?

Sicherlich muss nicht jede Szene auf jede dieser Fragen bahnbrechende Antworten liefern. Sie sind aber vielleicht ein schönes Werkzeug, um die Imagination anzukurbeln.

David Mamet über Wahrheit und Drama

Der Autor und Regisseur David Mamet untersucht anlässlich seines neuen Films “Phil Spector” in einem grossartigem Essay auf der wunderbaren Website  Medium.com die Frage nach dem Wesenskern des Dramas.

Ein Drama ist seiner Meinung nach umso stärker, je unbequemer die Wahrheit ist, die es aufdeckt – und die entscheidende Erkenntnis liegt nicht so sehr in der Antwort auf die Frage, die das Drama stellt, sondern vielmehr im Aufdecken der richtigen Frage.

Das ist wunderbar auf den Punkt hinsichtlich der Wirkungsweise einer dramatischen Erzählung. Ironischerweise wird Mamets Umgang mit der Wahrheit des von ihm erzählten Falls allerdings von vielen Beteiligten heftig angegriffen. Die Wahrheit des Dramas ist eben nicht immer die Wahrheit des Erzählten.

Über Antagonisten

Auf seinem Blog Go Into The Story hat Scott Myers einen schönen Beitrag über die Notwendigkeit von antagonistischen Kräften in einer Geschichte veröffentlicht. Sein Punkt ist, dass eine Geschichte nicht notwendigerweise einen Antagonisten braucht. Stattdessen kann die antagonistische Funktion auch von wechselnden Figuren übernommen werden, die dann gewissermaßen “antagonistische Masken” aufsetzen – eine interessante Analogie, die beim Schreiben hilfreich sein kann.

Hier ist der äußerst sehenswerte TED-Talk von Pixar-Urgestein Andrew Stanton, den Myers in seinem Beitrag zitiert:

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The Making of »Pulp Fiction«

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Die Vanity Fair hat einen schönen, ausführlichen Artikel über die Entstehungs-geschichte von “Pulp Fiction”. Kaum zu glauben, dass Quentin Tarantino ohne Harvey Keitel heute möglicherweise immer noch in irgendeiner schmuddeligen Videothek arbeiten würde. Hier ist ein schönes Zitat von Keitel:

“I want your readers to know there’s great talent out there, and they should be seen and heard. We don’t have to keep repeating the same movies and sequels, ad infinitum. An example like Quentin should be a call to arms. Of course, people say, ‘Oh, so-and-so would have made it anyway.’ That’s almost like saying the world is fair, and the cream will rise to the top. That’s bullshit.”

 

The Making of »The Blues Brothers«

Wer den Film “Die Blues Brothers” als Teenager nicht mindestens zwölf mal gesehen hat, kann hier aufhören zu lesen. Für alle anderen habe ich ein besonderes Schmankerl: Ned Zeman hat für Vanity Fair die unglaubliche Entstehungsgeschichte des Films recherchiert – und die ist vielleicht noch verrückter, als der Film selbst (wenn das überhaupt geht). Die Überschrift gibt die Richtung vor: “We Had a Budget for Cocaine”.

Nebenbei erfährt man dabei allerhand über Hollywood Ende der 70er Jahre und den letzten großen Studio-Mogul Lew Wasserman. Pflichtlektüre für alle “Blues Brothers” Fans.

»Silver Linings’« Toughest Scene

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Bei der diesjährigen Oscarverleihung ist “Silver Linings” mit fünf Nominierungen einer der Favoriten. Neben Nominierungen für den besten Film, die beste Regie und die beiden Hauptdarsteller Jennifer Lawrence und Bradley Cooper, darf sich Autor und Regisseur David O. Russell auch Hoffnungen auf den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch machen.

In einem Artikel auf Vulture beschreibt Russell eine großartige Szene dieses großartigen Films. Allerdings sollte man den Film zuvor gesehen haben, sonst dürfte man kaum verstehen, was hier vor sich geht. Wer “Silver Linings” also noch nicht gesehen hat, sollte das unbedingt nachholen.

Das Drehbuch zu “Silver Linings” kann man übrigens nach wie vor hier herunterladen.

Soderbergh hört auf

Er gehört zweifellos zu den interessantesten und vielseitigsten Regisseuren unserer Zeit – aber Steven Soderbergh hat genug vom Filmemachen, zumindest fürs Kino.

In einem wunderbaren, ausführlichen Interview mit Mary Kaye Schilling auf Vulture erzählt Soderbergh, warum er sich von nun an auf Theater und die Malerei konzentrieren will, was er von Kritikern hält (nicht viel), warum man Katastrophenhilfe am besten den Filmstudios überlassen sollte und wo es das beste Katzenfutter gibt.

Ganz werden wir wohl trotzdem nicht auf Soderbergh verzichten müssen: Projekte fürs Fernsehen kann er sich durchaus weiterhin vorstellen. Damit bestätigt er, was langsam zur Binsenweisheit wird: dass Fernsehen zur Zeit künstlerisch  interessanter ist, als Kino:

»I think that the audience for the kinds of movies I grew up liking has migrated to television. The format really allows for the narrow and deep approach that I like. […] Three and a half million people watching a show on cable is a success. That many people seeing a movie is not a success. I just don’t think movies matter as much anymore, culturally.«

Mehr Drehbücher lesen – »Moonrise Kingdom«

Jeder Drehbuchautor weiß, dass er (oder sie) regelmäßig Drehbücher lesen sollte – aber irgendwie kommt man dann doch meistens nicht dazu.

Für dieses Wochenende gibt es aber keine Ausrede: Focus Features hat ein wunderschönes, bebildertes Drehbuch von “Moonrise Kingdom” online gestellt, das man sich unbedingt ansehen sollte.

Moonrise

»The Hero’s Journey« in fünf Minuten

Nachdem Christopher Vogler für Disney sein inzwischen legendäres Memo über Joseph Campbells “The Hero with a Thousand Faces” geschrieben hatte, verbreitete es sich in Windeseile in ganz Hollywood. Auf einmal wollte jeder wissen, was es mit der mythischen Heldenreise auf sich hatte, von der sich George Lucas nach eigener Aussage zu “Star Wars” hatte inspirieren lassen.

Der Erfolg war so groß, dass Vogler sich entschloss, ein Buch über die Heldenreise zu verfassen: “The Writer’s Journey” gehört heute zur Standardlektüre für jeden Drehbuchautor. Das Original-Memo kann man übrigens hier nachlesen.

Wer zu faul zum Lesen der Bücher ist und trotzdem mitreden will oder sein Wissen über die Heldenreise ein wenig auffrischen möchte, kann sich die Grundgedanken der Heldenreise in dem hübschen kleinen Animationsfilm erklären lassen, den Matthew Winkler für die Reihe TED Education erstellt hat:

via ANIch Animationsfilme.ch