Es gibt Filmgenres, die ein so starres Regelkorsett haben, dass Ablauf und Auflösung der Geschichte leicht vorhersehbar werden. Dazu gehört neben der Romantic Comedy, dem Thriller und dem Horrorfilm sicherlich auch der Heist-Movie.
Um diese Vorhersehbarkeit zu konterkarieren setzen Filmemacher manchmal ein Stilmittel ein, das Filmen wie “The Usual Suspects” und “The Sixth Sense” zu ungeahnten Erfolgen verholfen hat: der überraschende Twist am Ende der Geschichte, der mit einem Mal alles zuvor Gesehene in neuem Licht erscheinen lässt.
Dass man damit auch zu weit gehen kann, beschreibt Alexander Gajic sehr schön auf seinem Blog Real Virtuality in einem äußerst unterhaltsamen Beitrag über “Die Unfassbaren”: durch immer neue Twists wird die Logik der Geschichte hier derart überstrapaziert, dass das Ergebnis am Ende nur noch hanebüchen erscheint.
Spätestens, wenn der Zuschauer sich an der Nase herumgeführt fühlt, hat der Erzähler den Bogen überspannt. Der Zuschauer “glaubt” die Geschichte nicht mehr, seine “suspension of disbelief” bricht zusammen, er fühlt sich nicht mehr gut unterhalten sondern nur noch veräppelt.
Interessanterweise strotzen viele Blockbuster aber ebenfalls nicht gerade vor inhaltlicher Stringenz, was ihrer Popularität in der Regel aber keinen Abbruch tut. Auch Gajic schreibt, dass ihm die haarstreubenden Unstimmigkeiten von Jokers Plan in “The Dark Knight” nur ein Schulterzucken wert waren und dass Javier Bardems Figur in “Skyfall” geradezu hellseherische Fähigkeiten besessen haben muss, damit seine unwahrscheinliche Flucht aus dem Gefängnis so wunderbar klappt, hat seinen Filmgenuß ebenfalls nicht wirklich geschmälert.
Warum aber stören sich viele Zuschauer an der mangelnden Plausibilität von Filmen wie “Die Unfassbaren”, während Logikfehler in Filmen wie “The Dark Knight”, “Skyfall” oder “Herr der Ringe” klaglos hingenommen werden?
Dass Plausibilitätsdefizite bei Geschichten, die ihre Spannung letztlich aus der Logik der Handlung schöpfen, fatal sein müssen, liegt auf der Hand – und um solche Filme handelt sich in der Regel bei Heist-Movies.
Steven Spielberg erfand dagegen die Idee von einem Film, die wie ein “theme park ride “ funktioniert, wie eine Vergnügungsparkattraktion also, bei dem das Publikum durch eine dichte Folge action-lastiger Set-Pieces unterhalten wird.
Diese Idee, mit der Spielberg gewissermaßen den Grundstein zum modernen Blockbuster gelegt hat, rückt die Handlung des Films in den Hintergrund. Sie ist nur noch das Gerüst auf dem ein immer spektakuläreres Special-Effects-Feuerwerk abgefackelt wird. Die Logik der Geschichte wird da völlig zweitrangig – wenn sie überhaupt eine hat: Oder hat irgendjemand verstanden, um was es im dritten Teil von “Fluch der Karibik” ging? Konnte irgendjemand beim ersten Sehen den verschlungenen Plot-Pfaden von “Inception” folgen? Und was ist eigentlich aus der unglaublich wichtigen Liste britischer Geheimagenten geworden ist, der James Bond in “Skyfall” hinterherjagt?
Logik spielt in diesen Filmen kaum eine Rolle – so lange man durch ihre atemberaubenden Action-Sequenzen gut unterhalten wird. Nach einer Achterbahnfahrt fragt ja auch keiner, was diese ganzen Loopings gerade zu bedeuten hatten. Ein Feuerwerk kann äußerst unterhaltsam sein auch ohne dass es einen Sinn ergibt.
Für den Special-Effects-lastigen Blockbuster ist es überraschend wenig wichtig, dass der Zuschauer der Geschichte überhaupt folgen kann. Er muss nur in groben Zügen verstehen, was da insgesamt vor sich geht – Details sind letztlich einfach nur lästig.
Allerdings sind auch beim großen Blockbuster in letzter Zeit deutliche Ermüdungserscheinungen zu beobachten: Kampfszenen müssen inzwischen mindestens zwischen riesigen Robotern und Superhelden oder riesigen Robotern und riesigen Monstern stattfinden, um noch irgendeinen Teenager hinter dem Ofen herzulocken und die Welt ist auf der Leinwand inzwischen auch schon so oft so schön untergegangen, dass dafür alleine auch keiner mehr ins Kino geht. Irgendwann lässt sich, so scheint es, der visuelle Nervenkitzel nicht mehr steigern.
Aus diesem Grund greifen auch die Macher von Blockbustern inzwischen vermehrt in die Trickkiste der Genre-Filmer: mit Plot-Twists setzen sie nach dem ersten Showdown einen Höhepunkt nach den anderen und werden dabei immer länger und länger. Das Ergebnis sind die aufgedunsenen Blockbuster, die Film Crit Hulk beklagt.
Überleben wird sich der Blockbuster deswegen nicht – genauso wenig wie Jahrmärkte, Feuerwerke und Themenparks irgendwann einmal aussterben werden. Eine Renaissance des Erzählens weg von starren Formeln hin zu innovativeren Erzählformen, so wie sie derzeit bei der Fernsehserie stattfindet, scheint aber auch im Mainstream-Kino immer notwendiger zu werden.