Unter den Drehbuchautoren gärt es gewaltig. Das wurde letzte Woche durch einen polemisch formulierten Aufruf auf der Website norau.de deutlich, der in der Branche große Aufmerksamkeit erregt hat (das Kürzel NORAU steht für Nicht-ORganisierte AUtoren). In dem Aufruf werfen die Verfasser dem Vorstand des Verbands deutscher Drehbuchautoren (VDD) vor, die Interessen der Drehbuchautoren verraten zu haben, weil sie mit dem ZDF eine umstrittene Rahmenvereinbarung über Regelhonorare abgeschlossen haben.
Zu den mittlerweile über hundert Unterzeichnern, die die sofortige Kündigung der ZDF-Vereinbarung fordern, gehören so prominente Drehbuchautoren wie Friedrich Ani, Dominik Graf, Sascha Arango, Alexander Adolph, Niki Stein, Christoph Hochhäusler, Christoph Fromm, die ehemalige BR-Fernsehspiel-Chefin Gabriela Sperl, sowie die Initiatoren Josephin und Robert von Thayenthal.
Um was geht es?
Wie vom Gesetzgeber mit der Urheberrechtsnovelle von 2002 gefordert, versucht der VDD seit nun schon über zehn Jahren mit den Sendern “Gemeinsame Vergütungsregeln” (GVR) auszuhandeln. Die scheinen so eine Vereinbarung zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser, denn zunächst kam es zu einem jahrelangen juristischem Hickhack, ob denn nun die Produzenten als direkte Vertragspartner der Drehbuchautoren der richtige Verhandlungspartner seien, oder aber die Sender, die den Produzenten die Vertragsbedingungen diktieren. Schließlich erklärte sich das ZDF als erster Sender zu Gesprächen bereit – auch wenn es die Vereinbarung nach wie vor aus undurchsichtigen Gründen nicht als “Gemeinsame Vergütungsregeln” bezeichnen will. Die Produzentenallianz nahm an den Verhandlungen teil und unterzeichnete das umstrittene Papier ebenfalls.
Die Details der Vereinbarung wurden der Mitgliederversammlung des VDD im Februar 2012 vorgestellt, äußerst kontrovers diskutiert und – mit dem Auftrag an den Vorstand, verschiedene Nachbesserungen vorzunehmen – von der Mitgliederversammlung angenommen. Allerdings zeigt sich, dass viele Drehbuchautoren, die nicht Mitglied des VDD sind, von dieser Entwicklung offenbar völlig überrascht wurden.
Tatsächlich stellen die neuen Vertragsbedingungen viele Drehbuchautoren zunächst einmal schlechter. Vor allem, dass die Wiederholungshonorare pauschal von 100 auf 50 Prozent des Grundhonorars halbiert wurden, sorgt bei vielen Kollegen für Empörung. Dass das ZDF diese “Regelsätze” in einem Brief an die Produzentenallianz entgegen der Vereinbarung dann auch noch als Höchstsätze bezeichnete, machte die Sache nicht gerade besser. Inzwischen hat das ZDF nach Aussage des VDD-Vorstands klargestellt, dass es sich in der Tat um Regelsätze handelt und dass sowohl das Grundhonorar wie auch der Prozentsatz des Wiederholungshonorars nach oben verhandelt werden können – im Fall des Wiederholungshonorars bis zu einer Grenze von 75 Prozent des Grundhonorars.
Dass die in der Rahmenvereinbarung ausgehandelten Konditionen gut sind, behauptet nicht einmal der Vorstand des VDD selbst. Allerdings hegt er die Hoffnung, dass mit der Rahmenvereinbarung zumindest die Abwärtsspirale sinkender Honorare gestoppt werden kann. Möglicherweise hätte der VDD ein etwas besseres Ergebnis erzielen können, wenn nicht der Verband der Bühnenverleger, der ebenfalls eine große Zahl von Drehbuchautoren vertritt, aus der gemeinsamen Verhandlungslinie mit dem VDD ausgeschert wäre, um eine eigene Vereinbarung abzuschließen. Aber nun ist die Vereinbarung in der Welt, die Zahlen darin sind nicht gut und die Verärgerung ist groß.
Sowohl auf der Mitgliederversammlung des VDD am Freitag letzter Woche, als auch auf dem Treffen der Norau-Aktivisten am Montag in der Kulturbrauerei wurde die Debatte hochemotional geführt. Die Kontroverse zeigt, wie groß inzwischen der Unmut der Drehbuchautoren ist. Selbst für arrivierte Autoren ist es schwierig geworden, für ihre Arbeit ein Honorar zu erhalten wie es noch vor zehn oder fünfzehn Jahren üblich war. Allein aufgrund des fehlenden Inflationsausgleichs haben Drehbuchautoren in dieser Zeit faktisch Einkommenseinbußen von 30 bis 50 Prozent hinnehmen müssen. Für junge Autoren sind das dennoch Gagen, von denen sie nur träumen können – viele arbeiten heute für einen Bruchteil dieses Geldes.
Hinzu kommt, dass es durch das drastisch gesunkene Produktionsaufkommen weitaus schwieriger geworden ist, einen Film bis zum Dreh finanziert zu bekommen. Während man früher als Drehbuchautor damit rechnen konnte, dass von drei entwickelten Projekten, zumindest zwei auch gedreht wurden, kann man heute froh sein, wenn von fünf oder sechs Projekten, ein oder zwei realisiert werden. Vor dem Hintergrund, dass 50 Prozent der Drehbuchgage erst am ersten Drehtag gezahlt wird, bedeutet das weitere dramatische Einbußen für die Autoren, mit der Folge, dass die ökonomische Situation der breiten Masse der Drehbuchautoren längst prekär geworden ist. Eine wachsende Zahl von Drehbuchautoren kann von ihrer Autorentätigkeit allein inzwischen nicht mehr leben.
Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, ob der Kampf um Wiederholungshonorare nicht eigentlich ein Nebenkriegsschauplatz ist. Sowohl ARD als auch ZDF wiederholen immer weniger Filme und Serien im Hauptprogramm – angeblich auch, weil Wiederholungen aufgrund der anfallenden Wiederholungshonorare zu teuer sind. Laut VDD wiederholt das ZDF inzwischen weniger als 50 Prozent seiner Filme. In vielen Fällen wäre also eine Buy-Out-Vergütung für die Autoren lukrativer. Aber eben die ist aufgrund verschiedener Gerichtsurteile heftig unter Beschuss, weil sie prinzipiell nicht mit dem Geist des Urheberrechts vereinbar ist. Wie auch immer man die gesetzliche Situation beurteilt: die wirtschaftliche Situation der meisten Drehbuchautoren wäre zweifellos besser, wenn sie für die tatsächliche Arbeit, die sie leisten, entlohnt würden, das heißt, wenn sie für die frühen Werkstufen angemessen bezahlt würden, anstatt auf Nutzungsentgelte für Urheberrechte zu pochen, die gar nicht anfallen, wenn ein Film nicht gedreht oder nicht mehr wiederholt wird. Eine solche “work for hire” Bezahlung würde freilich einen echten Paradigmenwechsel erfordern.
Natürlich ist es richtig, dass sich die Marktsituation gravierend verändert hat und kein Drehbuchautor ein Recht auf Vollbeschäftigung hat. Die Boomzeiten der 90er Jahre sind vorbei, fiktionales Programm ist teuer und auch die Öffentlich-Rechtlichen müssen sparen, keine Frage. Wenn eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wie das ZDF aber ausgerechnet bei den schwächsten Verhandlungspartnern – den freiberuflichen Kreativen – so rigoros den Rotstift ansetzt, während sie gleichzeitig hunderte Millionen für die Übertragung von Sportereignissen verpulvert, die private Sender mindestens ebenso gut leisten könnte, muss die Frage erlaubt sein, ob die Prioritäten richtig gesetzt sind.
Die Drehbuchautoren in Deutschland haben also allen Grund, unzufrieden zu sein. Ob eine Kündigung des ZDF-Papiers der richtige Weg ist, die Situation der Drehbuchautoren zu verbessern, ist aber zumindest fraglich. Schließlich gibt es dann überhaupt keine Anhaltspunkte für Vertragsverhandlungen mehr und jeder Autor kämpft wieder für sich allein. Für etablierte Autoren mag das besser sein, schließlich können sie auf die Konditionen alter Verträge verweisen. Für junge Autoren sind die Konditionen des Rahmenvertrags aber ganz klar eine Verbesserung.
Wie in der Diskussion unter den nicht-organisierten Autoren in der Kulturbrauerei allerdings schon deutlich wurde, kann die Antwort nicht in der Gründung eines weiteren Autoren-Verbandes liegen. Eine solche Zersplitterung käme den übermächtigen Verhandlungspartnern in den Fernsehsendern nur gelegen. So wurde auf der Norau-Veranstaltung denn auch beschlossen, zu prüfen, wie viele der nicht-organisierten Autoren bereit wären, in den VDD einzutreten, um sich dem Verband dann möglicherweise geschlossen anzuschließen und eine schärfere Haltung gegenüber den Sendern durchzusetzen.
Für die Drehbuchautoren ist es höchste Zeit, sich zu engagieren, ihre Kräfte zu bündeln und sich Gehör zu verschaffen. Bei aller Kontroverse gebührt den Norau-Initiatoren Dank dafür, den Unmut vieler Drehbuchautoren über die sich kontinuierlich verschlechternden Arbeitsbedingungen zum Ausdruck gebracht zu haben. Die Schmerzgrenze ist erreicht, wenn nicht überschritten. Jetzt gilt es, gemeinsam zu handeln.