Warum wir nicht Serie können

In einem ausführlichen, gut recherchiertem Artikel beschreibt Jochen Förster in Brand Eins sehr treffend die Situation im deutschen Fernsehmarkt: “Wir Serienmuffel”. Entlarvend sind die Kommentare der zitierten Programmmacher, die erahnen lassen, warum beim langen Marsch durch die öffentlich-rechtlichen Institutionen aus so vielen guten Ideen meistens doch nur deutsches Fernsehen wird.

Wir Serienmuffel - brand eins online

Die Probleme, die Förster benennt, sind hier schon oft angesprochen worden: mangelnde Risikofreude, zu wenig Freiheit für die Autoren und viel zu kleine Budgets.

Das interessanteste Detail versteckt sich aber in dem Info-Kasten über das Dänische Fernsehen: rund 1 Mio Euro gibt Danmarks Radio für eine Folge ihrer “Qualitätsserien” aus, während eine Serienfolge in Deutschland mit rund der Hälfte auskommen muss. Und das sieht man.

Förster rechnet vor, dass DR knapp fünf Prozent des Jahresbudgets in Qualitätsserien investiert. Beim Jahresetat der ARD von 6,5 Mrd. Euro wären das 325 Mio Euro. Damit könnte man schlappe 160 Folgen “Breaking Bad” produzieren. Wenn man wollte.

Dazu müsste man aber so denken wie Nadia Kløvedal Reich, die bei Danmarks Radio den Bereich Drama leitet:

„Um eine Serie auf HBO-Niveau zu machen, braucht man Geld, vor allem aber Geist. Wir bei DR planen sehr langfristig, unsere Autoren schreiben jetzt schon für die Saison 2016/17. Wir arbeiten in kleinen Teams, die sich lange kennen. Und wir lassen unseren Kreativen ein Maximum an Freiheit.“

Kann der Dame nicht mal jemand einen Job bei uns anbieten?

Ein Urheberrecht für die Urheber

Der eigentliche Zweck des Urheberrechts, nämlich den Urheber zu schützen und ihm für seine schöpferische Tätigkeit ein Auskommen zu sichern, ist in der Praxis längst ausgehebelt worden. Das gilt besonders für die Filmbranche. Ein Autor, der einen Drehbuchvertrag unterschreibt, tritt mit seiner Unterschrift de facto sämtliche Rechte an seinem Werk ab und muss sich obendrein den Preis für seine Arbeit diktieren lassen. Gegen die Marktmacht der Fernsehsender hat der einzelne Autor keine Chance.

Selbst wenn sich Urheber in Berufsverbänden organisieren, läuft es für sie nicht unbedingt besser. Das hat sich in den Verhandlungen zu gemeinsamen Vergütungsregeln gezeigt, die der VDD über Jahre hinweg mit dem ZDF geführt hat. Das Ergebnis war so ernüchternd, dass sich eine Schar wütender Drehbuchautoren, die bislang nicht im VDD waren, unter dem Label NORAU zusammengetan hat, um geschlossen in den Verband einzutreten. Das erklärte Ziel: die Vereinbarung mit dem ZDF schnellstmöglich zu kündigen.

Selbst wenn das geschähe, stellt sich immer noch die Frage, wie eine bessere Vereinbarung mit den Sendern zu erzielen wäre – schließlich hat der VDD über Jahre hinweg hartnäckig verhandelt. Das Ergebnis war offenbar das Beste, was herauszuholen war. Ein Berufsverband wie der VDD ist eben keine Gewerkschaft mit Pflichtmitgliedschaft wie die Writer’s Guild in den USA, die mit einem Streik ganz Hollywood lahmlegen kann. Schon allein deshalb sind die in der letzten Urheberrechtsreform geforderten Gemeinsamen Vergütungsregeln offenkundig kein geeignetes Mittel, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und der Verwerter zu schaffen.

In der Süddeutschen Zeitung hat Drehbuchautor Fred Breinersdorfer jetzt einen äußerst interessanten Vorschlag veröffentlicht, der das Potential hat, diese festgefahrene Diskussion nachhaltig zu verändern. Seiner Meinung nach sollten Filme durch eine Urheberrechtsreform nach einer bestimmten Sperrfrist eine Internet-Zwangslizenz erhalten. So verrückt wie das klingt, ist das gar nicht. Vorbild für diesen Vorschlag ist die existierende Zwangslizenz für das Nachspielen von Musikstücken: Jeder kann veröffentlichte Musiktitel nachspielen – er muss nur den Urheber an seinen Erlösen angemessen beteiligen. Dafür zahlt er Gebühren an die GEMA.

Wie wäre es also mit einer Film-GEMA für im Internet verbreitete Filme? Und vielleicht nicht nur Kino-, sondern auch Fernsehfilme?

Der unbestrittene Charme von Fred Breinersdorfers Idee besteht darin, dass sie die üblichen Rechteverwerter außen vorläßt, die es mit ihrer eifersüchtigen Rechte-Heimserei nicht schaffen, ein umfassendes, legales Angebot für Filme im Internet auf die Beine zu stellen, nur um damit das Feld illegalen Streaming-Plattformen zu überlassen, mit denen sich zwielichtige Gestalten eine goldene Nase verdienen, während die Urheber in die Röhre gucken.

Aus Sicht eines Piraten bringt es Bruno Kamm auf seinem Blog schön auf den Punkt:

“Fred Breinersdorfer hat mit seinem Vorstoß die Verwerterindustrie entwaffnet, ihnen das Weihwasser im Kampf gegen den freien Zugang zu Kultur genommen, denn er fordert Urheberrechte für die Urheber und nimmt dabei den Verwertern das Kernargument ihres Kreuzzuges gegen die Piraterie: Das Urheberrecht.”

Wobei Fred Breinersdorfers Vorschlag eben gerade nicht darin besteht, alles im Internet kostenlos verfügbar zu machen. Es geht darum, einen legalen Markt nach dem Vorbild der Streaming-Plattformen zu schaffen, auf denen Erlöse durch Werbung oder Premium-Angebote erzielt werden, an denen die Urheber über eine Verwertungsgesellschaft direkt beteiligt werden.

Natürlich wird die Verwertungsindustrie alles daran setzen, eine Urheberrechtsreform, die mehr den Urhebern als den Verwertern nützt, zu verhindern. Das Spannende an Fred Breinersdorfers Vorschlag ist, dass er die dröge Debatte ums Urheberrecht auf die eigentlich zentrale Frage herunterbricht: Wie lässt sich ein Urheberrecht gestalten, das in erster Linie den Urhebern nützt anstatt den Verwertern?

Auch wenn Breinersdorfers Vorschlag wenig Aussicht hat, jemals Realität zu werden, hilft er vielleicht, die festgefahrene Debatte ums Urheberrecht neu zu beleben. Allein damit wäre viel gewonnen.

The Next Big Thing

Es gilt als ausgemacht, dass das traditionelle lineare Fernsehen das nächste Opfer des digitalen Medienumbruchs sein wird. Bislang hält es sich allerdings noch recht wacker.

Dafür, dass das so bleibt, tun die dominierenden Player im Fernsehmarkt aber auch einiges, wie Matt Buchanan in seinem Elements-Blog beim New Yorker beschreibt. Das sind vor allem die Fernsehsender und – in den USA – die Kabelnetzbetreiber.

Zwar stehen Apple, Google, Microsoft und andere längst in den Startlöchern, um den großen Bildschirm im Wohnzimmer zu erobern, aber dafür brauchen sie Inhalte. Die großen Medienkonglomerate, die diese Inhalte haben, haben jedoch wenig Interesse daran, ihr etabliertes Geschäftsmodell des traditionellen linearen Fernsehens zu untergraben. Wären alle Inhalte jederzeit online verfügbar, bräuchte es keine Fernsehsender mehr und die Kabelnetzbetreiber würden vom Inhalteanbieter zum technischen Dienstleister degradiert. Wie schwer man sich als solcher tut, Geld zu verdienen, kann man sehr schön am Beispiel der Mobilfunkbetreiber beobachten.

Das ist auch der Grund, warum HBO seine begehrten Serien weiterhin exklusiv über sein Kabelabonnement vertreibt – “Girls”, “The Newsroom” und “Game of Thrones” sind weder auf Hulu noch auf Netflix oder einem anderen Streaminganbieter zu bekommen. Wer HBO nicht abonniert hat, muss warten, bis die Serien auf DVD erscheinen.

Auch wenn das lineare Fernsehen in einer Welt ständig verfügbarer Online-Medien längst zum Anachronismus geworden ist – ohne ein Geschäftsmodell, dass die Inhalteanbieter und Kabelnetzbetreiber einschließt, wird sich daran nichts ändern.

Genau daran wird derzeit hinter den Kulissen kräftig gewerkelt: Während Google und Intel versuchen, direkt über die Produzenten an Inhalte zu kommen, unternehmen Apple und Microsoft alles, um mit den Kabelnetzbetreibern ins Geschäft zu kommen.

In Deutschland ist die Situation trotz anderer Ausgangslage ähnlich verfahren: bei Lizenzware wie amerikanischen Filmen und Serien stehen auch bei uns die Interessen der Fernsehsender denen der Streaminganbieter entgegen. Die größte Produzenten eigener Programme dagegen – die Öffentlich-Rechtlichen – werden durch unsinnige gesetzliche Regelungen daran gehindert, ihr vom Gebührenzahler bereits bezahltes Programm diesen auch unbegrenzt zur Verfügung zu stellen.

Solange sich Inhalteanbieter und Fernsehsender weiter selbst im Weg stehen, wird es nur einen Gewinner geben: die illegalen Streamingportale. Das nützt letztlich niemandem. Der Druck, ein neues Geschäftsmodell zu finden, ist also da. Die Schlacht um unser Wohnzimmer hat längst begonnen.

Wo ist die Lobby für die Serie?

Zum Amtsantritt des neuen WDR-Intendanten Tom Buhrow stellt Norbert Schneider in der FAZ die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der üblicherweise mit Journalisten besetzten Führung öffentlich-rechtlicher Sender und der schwachen Stellung der Fiktion, vor allem der Serie, bei ARD und ZDF gibt.

Dabei weist er auf einen wunden Punkt hin, der in der Diskussion in der Tat oft vernachlässigt wird:

“Wenn man sich Serien wie „Mad Men“ in Deutschland produziert nicht vorstellen kann, dann gibt es sie zunächst deshalb nicht, weil es die Bücher nicht gibt. Die aber gibt es vor allem deshalb nicht, weil die Drehbuchautoren (und die Produzenten) sich den zeitlichen Vorlauf, der nötig wäre, nicht leisten können. Und warum? Das können sie deshalb nicht, weil das System, das sich diese Serien finanziell locker leisten könnte – schließlich ist es das reichste der Welt -, weil das System sie sich nicht leistet. Nicht einmal: sich nicht leisten will. Sondern viel einfacher: sich nicht leistet. Weil es keinen gibt, der sich der Sache derart annimmt, dass sie etwas werden könnte.”

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Herstellung fiktionaler Programme eigenen Gesetzen folgt, die sich vom sonstigen Fernsehgeschäft stark unterscheiden – vor allem hinsichtlich der Zeit, die es braucht, um sie zu realisieren. Während  ein Journalist gewohnt ist, in Zeiträumen von Tagen, Wochen oder bestenfalls Monaten zu denken, ist allein die Entwicklung guter Drehbücher oft eine Sache von Jahren – eine Zeit, die den Machern im schnelllebigen Fernsehgeschäft viel zu selten zugestanden wird. Das Ergebnis sind unterentwickelte Drehbücher, halbgare Geschichten und wenig aufregende Filme und Serien.

Schneider kommt zu dem Schluss, dass das fiktionale Programm im deutschen Fernsehen keine starke Lobby hat und fordert ein Umdenken. Wenn wir nicht immer neidisch nach Amerika oder – paradoxerweise – Schweden oder Dänemark schielen wollen, muss das Fiktionale und speziell die stiefmütterlich behandelte Serie zur Chefsache werden. Wahre Worte.

Tony Soprano

Warum der deutsche Film so ist, wie er ist

Filmpreis

[spacer size=”20″]Alle Jahre wieder, pünktlich zur Verleihung des Deutschen Filmpreises, erklingt die Klage über die Malaise des deutschen Films. Diesmal ist es Christiane Peitz, die auf Zeit Online unverblümt die Frage stellt: “Warum ist der deutsche Film so schlecht?”

Aber ist er das denn wirklich? Und vor allem, im Vergleich zu was? Welcher Filmindustrie – außer der amerikanischen – geht es eigentlich besser?

Trotz astronomischer Fördersummen schmort auch die französische Filmbranche vor allem in ihrem eigenen Saft. Kaum ein Film, der es über die Landesgrenzen hinaus schafft oder außerhalb Frankreichs ein nennenswertes Publikum findet. “Ziemlich beste Freunde” ist da nur die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Natürlich, es gibt François Ozon, die Dardenne-Brüder (die allerdings Belgier sind), Mathieu Kassovitz oder Patrice Leconte, die mit schöner Regelmäßigkeit Preise gewinnen, aber wir haben Petzold, Dresen, Glasner, Schmid und Tykwer die ebenfalls mit schöner Regelmäßigkeit Preise gewinnen. Internationale Erfolge fahren sie alle nicht ein. Von Jean-Pierre Jeunet oder Luc Besson, die auch außerhalb Frankreichs ein großes Publikum erreichen konnten, hat man schon lange nichts mehr gehört. Weiterlesen

Es geht doch

Der ZDF-Dreiteiler “Unsere Mütter, unsere Väter” hat allen Unkenrufen zum Trotz gezeigt, dass es auch in Deutschland möglich ist, richtig gutes Fernsehen zu machen: eine überzeugende, gesellschaftlich relevante Geschichte, tolle Schauspieler und ein beeindruckender production value, der sich vor der internationalen Konkurrenz nicht zu verstecken braucht.

Darüber hinaus wurde die Mini-Serie nicht nur von der Kritik einhellig gelobt, sondern hat auch noch sehr gute Zuschauerzahlen erzielt. Was will man mehr? Wenn öffentlich-rechtliches Fernsehen immer so wäre, wer würde sich dann noch trauen, die so oft gescholtene “Zwangsgebühr” in Frage zu stellen?

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Der Dreiteiler zeigt aber auch, dass gutes Fernsehen nicht zum Schleuderpreis zu haben ist. Mit einem Budget von über 14 Mio. Euro lagen die Produktionskosten weit über dem, was üblicherweise für einen Fernsehfilm ausgegeben wird. Und das sieht man. Qualität hat eben ihren Preis. So führt der Erfolg von “Unsere Mütter, unsere Väter” auch vor Augen, wie kaputtgespart der durchschnittliche deutsche Fernsehfilm inzwischen ist.

Es bleibt schwer nachzuvollziehen, warum die öffentlich-rechtlichen Sender ausgerechnet beim fiktionalen Programm, durch das sie sich so hervorragend profilieren und unersetzbar machen könnten, so gnadenlos den Rotstift ansetzen, während gleichzeitig die Etats für Sportereignisse und Fußballrechte in schwindelerregende Höhen steigen.

Zwar bringen Sportgroßereignisse zuverlässig gute Zuschauerzahlen – dank Fußball und Olympia hat es das ZDF letztes Jahr immerhin zum Marktführer gebracht. Wie die anhaltende Kritik an der Haushaltsabgabe aber deutlich zeigt, erweist sich die Vorstellung, durch hohe Zuschauermarktanteile eine Legitimation für die Haushaltsabgabe zu erreichen, als Trugschluss, solange sich das öffentlich-rechtliche Programm nicht deutlich von dem der Privatsender unterscheidet.

Schließlich würde niemand irgendetwas vermissen, wenn die Champions League statt im ZDF bei Sat.1 liefe. Aber Deutschland würde viel gewinnen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen mehr mutige und teure Fernsehproduktionen wie “Unsere Mütter, unsere Väter” produzieren würden. Eine bessere Bestandsgarantie kann es für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht geben.

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Berufs- und Rollenbilder im Fernsehen

Einige der interessantesten Informationen, die die teilnehmenden Drehbuchautoren beim MINTiFF-Science-Event Ende Februar in Martinsried erfahren konnten, hatten nichts mit dem eigentlichen Thema Neurobiologie und “Neue Einblicke ins Gehirn” zu tun. Vielmehr war es ein Vortrag von Dr. Marion Esch, der nachhaltig Eindruck machte.

Die Initiative MINTiFF hat es sich zum Ziel gesetzt, die Darstellung von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren in Film- und Fernsehproduktionen zu fördern. Das ist dringend nötig, denn obwohl Deutschland in der Welt für seine Wissenschaftstradition und seine Ingenieurskunst gefeiert wird, kommen die entsprechenden Berufsbilder in deutschen Fernsehproduktionen so gut wie nicht vor. Stattdessen gibt es, vor allem bei männlichen Rollen, ein extremes Übergewicht an Berufen, die mit Recht, Ordnung und Sicherheit zu tun haben, was natürlich auf all die Tatorte, Polizei- und Krimiserien zurückzuführen ist.

Berufsfelder

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet auf Privatsendern laufende amerikanische Serien wie “Dr. House”, “The Big Bang Theory” oder auch die verschiedenen “CSI”-Formate wesentlich mehr zur Förderung wissenschaftlicher und technischer Berufsbilder beitragen, als die der öffentlich-rechtlichen Sender, zu deren Auftrag so etwas eigentlich gehören sollte.

Während bei amerikanischen Serien ganz selbstverständlich Wissenschaftler und Mediziner von Anfang an in den Prozess der Drehbuchentwicklung mit einbezogen werden, heißt es bei uns immer: jetzt schreibt erst mal eine schöne Geschichte, die Recherche machen wir dann für die Drehfassung. Die Qualität einer Folge von “Dr. House” ist denn auch kaum mit der einer beliebigen deutschen Arztserie zu vergleichen.

Auch bei der Darstellung geschlechtsuntypischer Berufsbilder in deutschen Film- und Fernsehproduktionen sieht es erwartungsgemäß nicht gerade gut aus. Wer sich mehr dafür interessiert, sollte sich unbedingt die Studie “MINT und Chancengleichheit im fiktionalen Fernsehformaten” herunterladen.

Gebetsmühlenartig fordern die Verantwortlichen in den Sendern gegenüber Autoren und Produzenten, die deutsche Wirklichkeit abzubilden und auf das “Typische” zu setzen, denn der Zuschauer müsse ja “in seiner Lebenswirklichkeit abgeholt werden”. Das Resultat ist eine beinahe genormte, homogene Fernsehwirklichkeit, die traditionelle Rollen- und Berufsbilder eher zementiert als hinterfragt und damit der gesellschaftlichen Realität in weiten Teilen hinterherhinkt.

Dementsprechend vernichtend ist das Urteil, das Drehbuchautoren den Sendern hinsichtlich Innovations- und Risikobereitschaft ausstellen: ganze 98 Prozent der Autoren halten sie für niedrig bis sehr niedrig. Man kann es nicht oft genug sagen: wir brauchen mehr Mut zum Außergewöhnlichen im deutschen Fernsehen.

Arbeitssituation

 

Nachwachsender Rohstoff

Dass ARD und ZDF bei Jugendlichen nicht sonderlich hoch im Kurs stehen, ist bekannt. Wie groß das jugendliche Desinteresse an den öffentlich-rechtlichen Sendern jedoch ist, führt eine Grafik aus der MINTiFF-Studie “MINT und Chancengleichheit in fiktionalen Fernsehformaten” drastisch vor Augen: Selbst bei Gymnasiasten gehören ARD und ZDF für gerade einmal 10 Prozent der Befragten zu einem ihrer drei Lieblingssender.

Lieblingssender

Nun klagt man schon lange über die Überalterung der Zuschauer der öffentlich-rechtlichen Sender. Bei der ARD liegt der Altersdurchschnitt derzeit bei 60 Jahren, beim ZDF sogar inzwischen bei 61 Jahren. Allerdings liegt der Altersdurchschnitt der Sat.1-Zuschauer ebenfalls bei nicht gerade jugendlichen 51 Jahren.

Sterben den öffentlich-rechtlichen Sendern also in absehbarer Zeit die Zuschauer weg, wie immer wieder gemunkelt wird, oder handelt es sich bei Senioren um einen “nachwachsenden Rohstoff”, wie Benedikt Röskau es pointiert ausgedrückt hat?

Dass sich die Mediennutzung mit dem Alter verändert, dürfte unbestritten sein. Wenn ARD und ZDF ein für ältere Menschen attraktiveres Programm bieten, das sie bei den Privatsendern nicht finden, werden die Öffentlich-Rechtlichen möglicherweise auch weiterhin ein Publikum finden. Insofern ist die von ARD und ZDF angestrebte Verjüngung ihres Publikums vielleicht nicht ganz unproblematisch, denn wenn sie dadurch ihr derzeitiges Stammpublikum vergrätzen, könnten sie schnell zwischen allen Stühlen sitzen.

Andererseits ist es schwer vorstellbar, dass eine Generation, die vollständig durch Privatsender und Sendungen wie “How I Met Your Mother” sozialisiert wurde, im Alter auf einmal “Um Himmels Willen” in der ARD sehen will. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Das Modell HBO

In seinem Blog “Deadline” beim Schweizer Tagesanzeiger bringt Constantin Seibt das “Modell HBO” kurz und bündig auf den Punkt. Der Bezahlsender habe die Fernsehserie zur “aufregendsten Kunstform des 21. Jahrhunderts” gemacht, indem er nicht auf die maue Zufriedenheit der Masse, sondern auf die leidenschaftliche Begeisterung einer kleinen Zuschauergruppe gesetzt hat.

Das Bonmot des einstigen RTL-Chefs Helmut Toma, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler, verortet Seibt treffend als Ausgangspunkt des Trash-TV. Auch die entscheidende Bedeutung der Autoren bei der Konzeption herausragender Serien erwähnt der Beitrag, in dem es eigentlich um die Zukunft der Zeitung geht.

Zu guter Letzt lernen wir in dem Artikel auch noch einen schönen Helvetismus kennen: das wunderbare, dem Französischen entlehnte Wort “foutieren” bedeutet laut Duden “sich (um etwas) nicht kümmern” bzw. “sich (über etwas) hinwegsetzen”. Wieder was dazugelernt.

Die Wut der Drehbuchautoren

Unter den Drehbuchautoren gärt es gewaltig. Das wurde letzte Woche durch einen polemisch formulierten Aufruf auf der Website norau.de deutlich, der  in der Branche große Aufmerksamkeit erregt hat (das Kürzel NORAU steht für Nicht-ORganisierte AUtoren). In dem Aufruf werfen die Verfasser dem Vorstand des Verbands deutscher Drehbuchautoren (VDD) vor, die Interessen der Drehbuchautoren verraten zu haben, weil sie mit dem ZDF eine umstrittene Rahmenvereinbarung über Regelhonorare abgeschlossen haben.

Zu den mittlerweile über hundert Unterzeichnern, die die sofortige Kündigung der ZDF-Vereinbarung fordern, gehören so prominente Drehbuchautoren wie Friedrich Ani, Dominik Graf, Sascha Arango, Alexander Adolph, Niki Stein, Christoph Hochhäusler, Christoph Fromm, die ehemalige BR-Fernsehspiel-Chefin Gabriela Sperl, sowie die Initiatoren Josephin und Robert von Thayenthal.

Um was geht es?

Wie vom Gesetzgeber mit der Urheberrechtsnovelle von 2002 gefordert, versucht der VDD seit nun schon über zehn Jahren mit den Sendern “Gemeinsame Vergütungsregeln” (GVR) auszuhandeln. Die scheinen so eine Vereinbarung zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser, denn zunächst kam es zu einem jahrelangen juristischem Hickhack, ob denn nun die Produzenten als direkte Vertragspartner der Drehbuchautoren der richtige Verhandlungspartner seien, oder aber die Sender, die den Produzenten die Vertragsbedingungen diktieren. Schließlich erklärte sich das ZDF als erster Sender zu Gesprächen bereit – auch wenn es die Vereinbarung nach wie vor aus undurchsichtigen Gründen nicht als “Gemeinsame Vergütungsregeln” bezeichnen will. Die Produzentenallianz nahm an den Verhandlungen teil und unterzeichnete das umstrittene Papier ebenfalls.

Die Details der Vereinbarung wurden der Mitgliederversammlung des VDD im Februar 2012 vorgestellt, äußerst kontrovers diskutiert und – mit dem Auftrag an den Vorstand, verschiedene Nachbesserungen vorzunehmen – von der Mitgliederversammlung angenommen. Allerdings zeigt sich, dass viele Drehbuchautoren, die nicht Mitglied des VDD sind, von dieser Entwicklung offenbar völlig überrascht wurden.

Tatsächlich stellen die neuen Vertragsbedingungen viele Drehbuchautoren zunächst einmal schlechter. Vor allem, dass die Wiederholungshonorare pauschal von 100 auf 50 Prozent des Grundhonorars halbiert wurden, sorgt bei vielen Kollegen für Empörung. Dass das ZDF diese “Regelsätze” in einem Brief an die Produzentenallianz entgegen der Vereinbarung dann auch noch als Höchstsätze bezeichnete, machte die Sache nicht gerade besser. Inzwischen hat das ZDF nach Aussage des VDD-Vorstands klargestellt, dass es sich in der Tat um Regelsätze handelt und dass sowohl das Grundhonorar wie auch der Prozentsatz des Wiederholungshonorars nach oben verhandelt werden können – im Fall des Wiederholungshonorars bis zu einer Grenze von 75 Prozent des Grundhonorars. Weiterlesen

Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch zu retten?

Die Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland geht in die nächste Runde: Peter Henning, Drehbuchautor, Regisseur und Vorstand im Verband Deutscher Drehbuchautoren hat auf der Website des Verbands einen Artikel veröffentlicht, in dem er die Programmpolitik von ARD und ZDF scharf angreift.

Henning plädiert für ein öffentlich-rechtliches Fernsehen, das seinen Auftrag ernst nimmt und mit seinem Programm etwas wagt. Nur ein Programm, das den Zuschauern wichtig ist, ein Programm, das andere Anbieter nicht bieten können oder wollen, kann dazu führen, dass wir irgendwann wieder gerne unsere Gebühren bezahlen. Die Existenzberechtigung der Öffentlich-Rechtlichen liegt in erster Linie in der Qualität ihres Programms und erst in der zweiten in der Quote.

»Breaking Bad«, die Dänen und wir

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Der Ruf deutscher Fernsehfilme und insbesondere deutscher Serien ist nicht gerade der Beste. Gern wird dabei immer wieder auf die tollen amerikanischen Qualitätsserien à la “Mad Men”, “Breaking Bad” oder “Homeland” verwiesen und die Frage gestellt, warum wir sowas in Deutschland nicht auch hinkriegen.

Mit viel Lust und Polemik haut der “Spiegel” in seiner aktuellen Ausgabe in dem Artikel “Im Zauderland” mal wieder in genau diese Kerbe. Mit neuen Informationen können Georg Dietz und Thomas Hüetlin nicht aufwarten, stattdessen beten sie mal wieder gebetsmühlenartig die alte Leier von den erstklassigen amerikanischen und den miesen deutschen Serien herunter. Damit machen sie es sich nicht nur zu einfach, sie verpassen auch die eigentlich interessante Geschichte dahinter.

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Abschied vom Traumberuf

Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm hat eine Studie zur wirtschaftlichen Situation ihrer Mitglieder veröffentlicht. Dass die nicht rosig ist, war schon vorher klar, dass sie aber derart verheerend ist, ist doch schockierend.

So gaben 85 Prozent der Mitglieder an, von ihrem Beruf nicht leben zu können. Vier einhalb Monate im Jahr arbeiten Dokumentarfilmer im Schnitt unentgeltlich an Entwicklung und Recherche. Laut AG Dok kommen Regisseure von Dokumentarfilmen auf einen Stundenlohn von 9,91 Euro. Brutto.

Ich frage mich, wie eine solche Studie zur wirtschaftlichen Situation von Drehbuchautoren oder Dramaturgen ausfallen würde. Die Gagen sinken hier ebenfalls seit Jahren, vor allem für junge Autoren. Vor allem aber wird es immer schwieriger, Drehbücher an den Mann, oder besser an den Sender, zu bekommen. Gleichzeitig wird das Entwicklungsrisiko immer mehr auf die Autoren abgewälzt, indem für die frühen Entwicklungsstadien, in denen die entscheidende kreative Arbeit stattfindet, immer weniger bezahlt wird.

Dass die goldenen Jahre der Medienbranche ein für allemal vorbei sind, ist kein Geheimnis. Doch während Sender und Produktionsfirmen die schlimmste Zeiten längst hinter sich gelassen haben, scheint die Talsohle für die freiberuflichen Kreativen noch immer nicht erreicht zu sein.